Aus Sicht von Novak Djokovic hat eine Mehrheit der Tennisprofis nach dem Fall von Jannik Sinner das Vertrauen in das Anti-Doping-System verloren. Es gebe das Gefühl einer Vorzugsbehandlung, sagte der Rekord-Grand-Slam-Champion beim Turnier im katarischen Doha.
«Eine Mehrheit der Spieler denkt, dass es nicht fair ist. Eine Mehrheit der Spieler denkt, dass es eine Bevorzugung gibt», sagte der 37-jährige Serbe nach der Sperre von Sinner für drei Monate. «Es scheint, dass du beinahe den Ausgang beeinflussen kannst, wenn du ein Topspieler bist, wenn du Zugang zu Topanwälten hast.»
Es ist kein gutes Bild für unseren Sport, das ist sicher.
Deal mit der Wada
Der heutige Weltranglistenerste Sinner war im März 2024 positiv getestet worden. Der Südtiroler hatte angegeben, dass das verbotene Mittel Clostebol bei einer Massage über die Hände eines Betreuers in seinen Körper gelangt sei. Die verantwortliche Tennis-Agentur Itia sah kein vorsätzliches Verschulden und keine Fahrlässigkeit und verzichtete auf eine Sperre. Dagegen ging die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada vor.
Am Samstag war bekanntgeworden, dass sich Sinner mit der Wada auf eine dreimonatige Sperre geeinigt hat. Bis zum 4. Mai darf der 23-Jährige keine Turniere spielen – rechtzeitig vor den French Open, die am 25. Mai in Paris beginnen, endet die Sperre.
System und Strukturen funktionieren nicht
«Es ist kein gutes Bild für unseren Sport, das ist sicher. Es gibt eine Mehrheit an Spielern, mit denen ich in der Umkleide gesprochen habe – nicht nur in den vergangenen Tagen, sondern auch den vergangenen Monaten –, die nicht glücklich sind, wie mit dem gesamten Prozess umgegangen wurde», sagte Djokovic.
«Aktuell gibt es grundsätzlich einen Mangel an Vertrauen sowohl von männlichen als auch weiblichen Tennisprofis gegenüber der Wada und der Itia und dem gesamten Prozess.» Auch im Fall der Weltranglistenzweiten Iga Swiatek hatte es Vorwürfe mangelnder Transparenz gegeben. Die Polin war im vergangenen Jahr für einen Monat gesperrt worden.
Djokovic betonte, dass er nicht die Unschuld von Sinner und Swiatek in Zweifel ziehe. Er forderte die Sport-Institutionen jedoch auf, den Prozess zur Behandlung von Dopingfällen zu überarbeiten, «weil das System und die Strukturen offensichtlich nicht funktionieren».
Rechtfertigung der Wada
Die Wada weist die Kritik an ihrem Deal mit dem Weltranglistenersten zurück. Der Fall Sinner sei «meilenweit von Doping entfernt», sagte Wada-Chefjurist Ross Wenzel der britischen BBC. Das wissenschaftliche Feedback sei zum Schluss gekommen, dass es sich nicht um einen absichtlichen Dopingfall einschliesslich Mikrodosierung handeln könne, sagte Wenzel weiter. Zudem sei die Dreimonatssperre gegen den Italiener angemessen und ohne Rücksicht auf den Tenniskalender getroffen worden.