Dass das Schweizer Team nach der Enttäuschung im letzten Jahr seine Prophezeiung wahr machte und den Billie Jean King Cup mit Verspätung doch noch an sich riss, war aufgrund der Dominanz (kein einziges der 8 Einzel ging während der ganzen Woche verloren) erstaunlich – und gleichzeitig auch nicht.
Der Teufel steckt im Detail – und im roten Kleid
Belinda Bencic und Viktorija Golubic zeigten im letzten Jahr an den Olympischen Spielen in Tokio mit Gold im Einzel und Silber im Doppel, dass sie bei Einsätzen unter dem Schweizer Kreuz noch einen Zacken zulegen können. Bencic verlor in diesem Jahr an den French Open gegen Leylah Fernandez und an den US Open gegen Karolina Pliskova – in Schottland bezwang sie nun die Kanadierin und die Tschechin in jeweils zwei Sätzen.
Jil Teichmann ging seit dem Achtelfinal in Paris im Juni in 12 von 17 Partien als Verliererin vom Platz, doch am Billie Jean King Cup gewann sie beide Spiele, genauso wie Golubic. Vor jedem Schweizer Auftritt in Glasgow sangen aus den Lautsprecher-Boxen Lo & Leduc vom «Tüüfu im rote Chleid» – und das selbstgewählte Lied hätte besser nicht passen können. Sobald die Schweizerinnen das Dress in den nationalen Farben anziehen, spielen sie einfach teuflisch gut.
Schnyder lobt «einfühlsamen» Günthardt
Für SRF-Tennis-Expertin Patty Schnyder ist aber auch klar, dass Captain Heinz Günthardt massgeblichen Anteil am historischen Erfolg hatte. «Er hat taktische Wechsel vollzogen, sich die Spielerinnen gut angeschaut und ganz viele Gespräche geführt. Er ist einfühlsam mit seinem Team umgegangen», lobt Schnyder, die 1998 – damals noch im Fed Cup, wie der Wettbewerb vorher hiess – zusammen mit Martina Hingis den Final gegen Spanien verloren hatte.
«Günthardt schafft es immer wieder, das Maximum aus seinen Spielerinnen herauszukitzeln. Er hat einen guten Mix von Zuhören, Inputs geben und Selbstvertrauen stärken entwickelt. Auch der Plan, nach zwei Siegen von Golubic im Final wieder Teichmann zu bringen, ist aufgegangen», ergänzt Kommentator Manuel Köng. Er attestiert Günthardt eine hohe Glaubwürdigkeit, die es ihm ermögliche, auch schwierige Entscheidungen gegenüber den Spielerinnen zu rechtfertigen.
Günthardt selbst spielte seinen eigenen Einfluss indes herunter: «Es gab gar keine falschen Möglichkeiten. Wer weiss, ob wir anders nicht genauso gewonnen hätten.» Dass Teichmann respektive Golubic jeweils vorlegen konnten, war für Teamleaderin Bencic sicher von hohem Wert. Schliesslich lässt es sich mit einer 1:0-Führung im Rücken leichter aufspielen.
Mit dem Triumph in Glasgow schlossen die Frauen die letzte Lücke im Palmarès der Tennis-Nation Schweiz. In den letzten 30 Jahren mauserte sich die Schweiz zur Tennis-Grossmacht.
Ob Grand-Slam-Titel (28 im Einzel, 16 im Doppel), Davis Cup (1), Olympiasiege (1 im Einzel, 1 im Doppel), ATP Finals (6), WTA Finals (2), Hopman Cup (4) – alles gewannen Spielerinnen und Spieler aus der Schweiz, am Sonntag als letztes Puzzlestück auch den Billie Jean King Cup, den vormaligen Fed Cup.