Nach vielen Jahren an der Seite von Roger Federer hat Severin Lüthi den Trainerjob beim 20-jährigen Holger Rune übernommen, dem viele eine grosse Karriere zutrauen. Vor Runes Zweitrundenpartie, die der Däne am Donnerstag dann verlor, sprach Keystone-SDA mit Lüthi.
Was hat Sie bei Rune überzeugt, dass es zu einer Zusammenarbeit kam?
Ein Grund, warum ich mir die Arbeit mit ihm vorstellen kann, ist, dass er Feuer hat. Er ist motiviert, hat hohe Ambitionen. Das ist etwas, das mir gefällt. Natürlich kann das auch dazu führen, dass man sich verkrampft, dass du zu viel willst. Es gibt keine Garantie, aber er ist die Nummer 8 der Welt, das ist nicht mehr nur Potenzial, das zeigt, dass er es auch umsetzen kann.
Wenn man Ambitionen hat und da hin will, muss man halt machen, was es braucht.
Sind Rune, Carlos Alcaraz und Jannik Sinner für Sie auch die nächsten Big 3?
Für mich ist das zu weit vorausgedacht. Sie haben ihr Potenzial zum Teil schon bewiesen, aber du weisst nie, wie jemand in einer Krise oder bei grossem Erfolg reagiert. Klar, hätte ich auch gesagt, dieser Alcaraz wird mal was gewinnen, aber eine Garantie hast du nie. Schauen Sie mal, wie lange Murray gebraucht hat, bis er dann ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Eine Zeit lang hatte ich auch das Gefühl, Djokovic kann Nadal nicht schlagen, dann dass Nadal nicht mehr gegen Djokovic gewinnen kann, und alles hat wieder geändert. Es ist etwas langweilig, wenn ich das sage, aber du weisst nie, wie sich einer entwickelt.
Sie haben mit Roger Federer jahrelang den nahezu perfekten Spieler in Sachen Professionalität und Einstellung trainiert. Müssen Sie aufpassen, dass Sie andere nicht an zu hohen Ansprüchen messen?
Das frage ich mich manchmal tatsächlich und versuche, das zu beobachten. Ich hatte diese Diskussion auch manchmal mit Swiss Tennis. Sie sagten, wir sind hier ... Lüthi zeigt mit der Hand ein Level relativ weit unten an ... und du bist hier oben. Aber wenn man Ambitionen hat und da hin will, muss man halt machen, was es braucht.
Da machen viele Coaches den Fehler, dass sie drei verschiedene Sachen sagen und der Spieler kann nicht mehr gewichten.
Worauf legen Sie als Coach besonders wert?
Ich versuche, die Sachen grundsätzlich einfach zu halten. Da machen viele Coaches den Fehler, dass sie drei verschiedene Sachen sagen und der Spieler kann nicht mehr gewichten. Wenn die grossen Sachen stimmen, machen sie andere Sachen oft automatisch richtig. Die Einstellung, das Mentale, zieht vieles mit sich, auch taktisch und technisch.
Wie geht es für Sie mit dem Davis Cup weiter?
Ganz ehrlich, ich bin auch noch dabei, meine Rolle zu finden. Ich habe wie gesagt Respekt vor der Belastung, wieder so viel unterwegs zu sein. Im Moment sind viele Sachen auf dem Tisch bei mir. Ich habe den Davis Cup immer gerne gemacht, und ich habe für dieses Jahr wieder zugesagt. Jetzt konzentrieren wir uns mal auf die nächste Begegnung im Februar in den Niederlanden. Erst dann kennen wir ja auch das weitere Programm.
Mit dem 38-jährigen Stan Wawrinka stand an den Australian Open nur ein Schweizer im Hauptfeld. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft?
Ich bin froh, dass es wieder eine etwas breitere Basis gibt. Du kannst immer mehr und es noch besser machen, aber grundsätzlich sind wir in einer stabileren Situation als vor ein paar Jahren. Mit Dominic Stricker in den Top 100, Marc-Andrea Hüsler, der hoffentlich wieder nach vorne kommt, Leandro Riedi, Alexander Ritschard, Antoine Bellier und Jérôme Kym stehen wir nicht so schlecht da.