Learner Tien ist spätestens seit Donnerstag ein Name, den man sich merken kann. Der 19-jährige Amerikaner sorgte mit seinem Triumph in der 2. Runde gegen den um 116 Plätze besser klassierten Daniil Medwedew (RUS/ATP 5) in einem fast 5-stündigen Fünfsätzer für die grossen Schlagzeilen. Die Partie ging erst kurz vor 3 Uhr morgens zu Ende. Doch wer ist der Teenager aus Kalifornien, der in Melbourne gerade alle verzückt?
Die Frage ist berechtigt, denn grosse Stricke hat Tien auf Profi-Stufe bislang noch nicht zerrissen – mit zarten 19 Jahren auch keine Schmach. Seine Premiere auf der ATP-Tour gab der Junioren-Finalist der Australian Open und US Open 2023 bereits am 30. August 2022 bei den US Open. Mit einer Wildcard trat der damals 17-Jährige in der 1. Runde gegen den Serben Miomir Kecmanovic an, gewann gar den Startsatz und scheiterte doch noch in 4 Sätzen.
Sampras machte es vor
Nun, zweieinhalb Jahre später und mit mehr Profi-Erfahrung ausgestattet, ist Tien der erste US-Teenager, der in Melbourne einen Top-10-Spieler ausgeschaltet hat. Und: Er ist auch der jüngste Amerikaner seit Pete Sampras 1990, der bei den Australian Open die 3. Runde erreicht hat. Der frühere Weltklasse-Spieler schaffte es vor 35 Jahren als 18-Jähriger bis in den Achtelfinal und gewann später im selben Jahr die US Open – der erste seiner 14 Grand-Slam-Titel.
Wandelt Tien also auf Sampras' Spuren? Das ist wohl etwas hochgegriffen. Doch das US-Tennis hat mit dem Linkshänder definitiv einen neuen Hoffnungsträger in seinen Reihen. Tien selbst geht die Matches auf der grossen Bühne mit der nötigen Gelassenheit an: «Ich will einfach nur rausgehen, Spass haben und dann sehen, was ich leisten kann», erklärte der Sohn vietnamesischer Eltern nach dem Sieg gegen Medwedew.
Nach dem Triumph eine Pizza
Einem unbeschwerten Teenager entsprechend, hatte Tien bei der Medienkonferenz nach seinem Karriere-Highlight einen weissen Karton mit einer Pizza dabei. Von einem Journalisten darauf angesprochen erklärte er, es sei eine Pizza zur Feier des Tages.
Ob Tiens Eltern den grossen Triumph zuhause in Kalifornien live am TV mitverfolgten, ist nicht bekannt – dort endete der Match am Donnerstagmorgen gegen 8 Uhr. Auf dem Platz wandte sich der 19-Jährige jedenfalls direkt an seine Familie: «Ich weiss nicht, ob sie noch zusehen... Ich liebe euch, Leute. Danke, dass ihr mich immer aus der ganzen Welt unterstützt. Ich weiss, dass ihr euch wünscht, ihr könntet hier sein. Ich wünschte, ihr könntet auch hier sein.»
Sein Australian-Open-Märchen weiterschreiben will Tien in der 3. Runde gegen den 25-jährigen Franzosen Corentin Moutet (ATP 69). Dann werden viele Augen – und ganz bestimmt auch wieder jene von Tiens Bekannten – auf den kalifornischen Qualifikanten gerichtet sein.