1970 findet ein Wanderer im norwegischen Isdal die Leiche einer verbrannten Frau. Viele Spuren deuten auf Mord hin, aber die Polizei verkündet rasch, es sei ein Suizid gewesen. Offiziell gilt der Fall damit als abgeschlossen. Bis heute ist die Identität der Toten unbekannt. Viele Ungereimtheiten bleiben – und ein Verdacht führt in die Schweiz.
Die bekannten Fakten
- Die Isdal-Frau wurde mit Benzin verbrannt
- Im Magen der Leiche sind Unmengen an Schlafmitteln – bis zu 50 Tabletten
- Die Polizei findet zwei Koffer voller Artikel mit abgekratzten Markennamen
- Zudem enthält das Gepäck Geld in mehreren Währungen, darunter 5.50 CHF
- Eine weitere Spur in die Schweiz: Ein Nähset aus dem Hotel Regina in Genf
Die offenen Fragen
- Warum kennt und vermisst niemand die Tote?
- Wie konnte sie sich mit Benzin verbrennen, ohne dass Behälter da waren?
- Wozu dienten ihre Reisen quer durch Europa in den Monaten vor dem Tod?
- Weshalb wurden damals die Ermittlungen nach nur drei Wochen eingestellt?
- Woher stammt das Hämatom am Hals der Leiche, das auf einen Schlag hindeutet?
Die Erklärungsansätze für den mysteriösen Tod der Leiche aus dem «eisigen Tal» – das nämlich bedeutet «Isdal», der Fundort nahe der norwegischen Stadt Bergen – gehen in drei Richtungen:
1. Prostitution
Die vielen Reisen der Isdal-Frau wären typisch für international tätige Edelprostituierte. Auch ihre falschen Identitäten – total neun unterschiedliche wurden ermittelt – würden ins Bild verpassen. So hätte sie verhindert, dass ihr Klienten nachreisen.
2. Terror
Eine ihrer Reisen führte die Isdal-Frau ein halbes Jahr vor ihrem Tod in die Schweiz. Bei Recherchen dazu stiess NZZ-Journalist Marcel Gyr auf den Schweizer Privatbankier und überzeugten Nazi François Genoud, der Aktivitäten gegen Israel und Juden finanzierte.
Genoud war als Financier möglicherweise in terroristische Akte involviert, welche die Schweiz 1970 erschütterten. Im Februar stürzte ein Swissair-Flugzeug nach einem Bombenanschlag bei Würenlingen (AG) ab. Im September entführten palästinensische Terroristen mehrere Flugzeuge nach Jordanien, darunter eine Maschine der Swissair.
Die Hintergründe dieser Ereignisse wurden nie restlos aufgeklärt, aber Frauen mit ähnlichem Profil wie das der Isdal-Frau wurden damals für solche Aktionen rekrutiert. War sie für Genoud oder eine von ihm unterstützte Organisation tätig? Das würde erklären, woher ihre Reisen finanziert wurden.
3. Spionage
Nach Norwegen könnte die Unbekannte aber auch Spionage geführt haben. Damals wurden als Geheimprojekt Abwehrraketen entwickelt, um gegen einen sowjetischen Angriff gerüstet zu sein. Ausserdem steht Norwegen im Verdacht, so genannt schweres Wasser an Israel geliefert zu haben, das für den Bau nuklearer Anlagen benötigt wird.
Fest steht: Rund um den Tod im Isdal gibt es wenig gesicherte Tatsachen, aber eine Vielzahl spannender Spuren. Der heute 84-jährige Polizist, der die Leiche fand, denkt noch immer: «Der Fund war seltsam. Was war passiert? Ich glaube nicht an einen Suizid.»