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Impfen, nein danke – «Puls» geht der Skepsis auf den Grund
Aus Puls vom 04.01.2021.
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Coronavirus Impfskepsis: kritische Haltung mit langer Tradition

Viele wollen sich auch dann nicht impfen lassen, wenn sich das Verfahren als sicher und wirksam erweist. Woran liegt's?

«Vorläufig lasse ich mich nicht impfen. Der Sache traue ich noch nicht.»

«Ich würde es tun, um wieder reisen zu können.»

«Bis jetzt bin ich auch ohne Impfungen durchs Leben gekommen.»

«Auf gar keinen Fall. Das ist noch viel zu wenig ausgetestet.»

«Da verzichte ich lieber auf Ferien im Ausland, als mir etwas reinzujagen, von dem ich nicht weiss, was es ist!»

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Strassenumfrage: Impfen ja oder nein?
Aus Puls vom 04.01.2021.
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Corona-Impfung ja oder nein? In der Schweiz herrscht viel Skepsis.

Das zeigt nicht nur die zufällige «Puls»-Strassenumfrage, sondern auch eine repräsentative Befragung im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit: Ein ganzes Viertel der Befragten gab an, sich selbst dann nicht impfen zu wollen, wenn die Impfung sicher und wirksam ist. Nur die Hälfte sagt klar ja, ein Viertel ist noch unschlüssig.

Grafik zur Impfbereitschaft in der Schweiz
Legende: SRF

Eberhard Wolff überrascht das nicht. Der Medizinhistoriker und Kulturwissenschaftler an der Universität Zürich sagt: Skepsis habe es bereits seit den ersten Pocken-Impfversuchen des britischen Arztes Edward Jenner am Sohn seines Gärtners 1769 gegeben.

Prestigeprojekt Impfen

Der Kulturkampf zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern sei also so alt wie die Impfung selbst: «Man muss sich vorstellen, dass die Impfung einer der grossen Erfolge einer sich damals akademisierenden Medizin gewesen ist und deshalb auch ein ganz grosses Prestigeprojekt, das zum Ansehen der Ärzteschaft beitragen sollte.»

Entsprechend schockierend sei es für diese Ärzteschaft gewesen, als ihr schon früh von verschiedener Seite Widerstand erwuchs.

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«Die Impfung war einer der grossen Erfolge einer sich damals akademisierenden Medizin.»
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Alte Dokumente zeigen, wie heftig der Widerstand schon damals war. Von «Humbug» war die Rede. Von «Impfmord» gar. In einer Petition gegen einen nationalen Impfzwang in der Schweiz hiess es 1870: «Wir bitten Sie dringendst und im Namen der Humanität dieses gesetzliche Unrecht nicht mehr länger fortbestehen zu lassen, sondern jeden Bürger vor dieser Vergewaltigung seitens der Mediziner zu schützen.»

Angesichts dieser Impfskepsis haben auch Behörden versucht, die Leute zu überzeugen oder mit mehr oder weniger Druck dazu zu bringen, sich impfen zu lassen. «Ein schönes Beispiel ist der Roman ‹Anne Bäbi Jowäger› von Jeremias Gotthelf», weiss Medizinhistoriker Wolff.

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Auf Anregung der Berner Sanitätskommission: Gotthelfs «Anne Bäbi Jowäger»
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«Letzten Endes geht der Roman nämlich auf eine Anregung der Berner Sanitätskommission zurück, die den Autor gebeten hat, ‹ob es nicht zweckmässig sein möchte, in einer populären Schrift das Volk auf die medizinischen Pfuscher im Kanton aufmerksam zu machen und vor den Gefahren, die ihm von daher drohen, mit Nachdruck zu warnen›.»

Experte für die Impfskepsis unserer Tage ist der Infektiologe Philipp Tarr. Er und sein Team werfen in einem laufenden Forschungsprojekt einen besonderen Blick auf den Unterschied zwischen der Impfskepsis in der Schul- und der Komplementärmedizin.

Ein Zwischenresultat ihrer Forschung: Von jenen Eltern, die mit ihren Kindern in eine schulmedizinische Praxis gehen, sind 21 Prozent tendenziell impfskeptisch. Von jenen Eltern, die in eine komplementärmedizinische Praxis gehen, sind es ganze 62 Prozent.

Tarr warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen: «Ich beobachte seit vielen Jahren, wie die Komplementärmedizin stigmatisiert wird, als wenn sie an der Impfskepsis schuld wäre. Dabei ist diese Skepsis ein ganz normales Phänomen in der Bevölkerung – und die impfskeptischen Leute gehen eben zu Ärzten, die ihnen eher entsprechen.»

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«Komplementärmediziner sind nicht schuld an der Impfskepsis in der Bevölkerung.»
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Dass dies Komplementärmediziner sind, erstaunt den Sozialepidemiologen Mike Deml vom Swiss TPH nicht: «Komplementärmediziner hören ihren Patienten mehr zu – was sie wollen, was ihre Bedenken sind –, statt gleich mit einer Impfempfehlung zu beginnen.»

Transparenz schaffen

Auch für Bernhard Wingeier, Kinderarzt in der anthroposophischen Klinik Arlesheim, ist ein ergebnisoffenes Impfgespräch zentral.

«Überall sind mündige Patientinnen und Patienten gefragt, auch bei komplexesten Themen. Selbst Tumore kann man nicht mehr behandeln wie früher und einfach sagen ‹das machen wir jetzt so›. Die Betroffenen wollen mitgenommen werden. Und ich verstehe nicht, weshalb das beim Impfen anders sein soll.»

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«Überall sind mündige Patienten gefragt, die selbst bei komplexesten Fragen wie Tumoren mitentscheiden. Wieso soll das beim Impfen nicht auch so sein?»
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Was bedeutet das alles für die Skepsis gegenüber der Corona-Impfung? Philip Tarr und sein Team plädieren für radikale Transparenz über allfällige Unsicherheiten.

«Bei Leuten, die abstrusen Verschwörungstheorien anhängen, ist jede Liebesmüh vergebens.» Stattdessen solle man lieber mit den Menschen reden, die zum Beispiel berechtigte Sorgen haben wegen noch fehlender Daten zur langfristigen Sicherheit der Corona-Impfung. «Mit denen muss man sich beschäftigen und sie sehr ernst nehmen.»

«Impfskepsis ist nicht Ablehnung, sondern fehlendes Vertrauen»

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Daniela Lager sprach im «Puls»-Studio mit Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF).

SRF: Aktuell gibt es gar nicht genug Impfstoff für die Impfwilligen. Eigentlich müssten Sie ja froh sein über die Skeptiker und diese gar nicht vom Gegenteil überzeugen…

Christoph Berger: Bis im Sommer haben wir genug Impfstoff für alle, die sich impfen lassen wollen. Aber die Skepsis ist etwas, was man ernst nehmen muss. Zuhören ist ganz sicher richtig.

Ich würde aber sagen, man muss noch mehr tun: Man muss die Informationen anbieten, es den Leuten erklären. Man muss die Fragen entgegennehmen und das Gespräch suchen. Denn die Skepsis ist nicht Ablehnung, sondern fehlendes Vertrauen, fehlende Überzeugung.

Schaffen wir es in der Schweiz, eine Durchimpfung von 60 Prozent und zu erreichen?

Darauf kommt es im Moment nicht an. Jetzt wollen wir Risikopersonen schützen, für die Corona gefährlich ist. Die schwerkrank ins Spital und auf die Intensivstation kommen und dort sterben. Diese Personen wollen wir schützen.

Die Impfung ist freiwillig für alle in der Schweiz, in jeder Kategorie. Und wenn wir damit fertig sind, können alle gesunden Erwachsenen sich ebenfalls impfen lassen. Und dann können wir über die Durchimpfungsrate reden.

Genügenden Impfstoff wird es laut BAG etwa Mitte Mai geben. Wie optimistisch sind Sie, dass die Kantone dann die Verteilung in den Griff bekommen? Bei der Bewältigung der Corona-Problematik haben diese ja nicht wirklich geglänzt .

Jedes Mal, wenn ich ein neues Computerprogramm bekomme, funktioniert es erst einmal nicht recht – was vielleicht an mir oder an einem Bug liegt. Das wird auch hier passieren, es kommt aber schon zum Laufen. Und im März, April, Mai wird man routiniert sein und viele Personen impfen können.

In meinen Augen ist es wichtig, dass man da möglichst auch die Hausärzte miteinbezieht. Denn diese kennen ihre Patienten und können sie überzeugen.

Puls, 04.01.2021, 21:05 Uhr

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