Arbeiten im Homeoffice kann kompliziert sein. Das erlebte Arbeitspsychologe Martin Kleinmann auch selbst in der Zusammenarbeit mit seinem Team.
So entwickelten sie während einer Telefonkonferenz die Idee, die Schweiz in der neuen Arbeitssituation zu begleiten. Das kam an: Schon nach fünf Wochen haben sich über 1000 Menschen bei der Studie angemeldet – 60 Prozent von ihnen arbeiten von zu Hause aus.
SRF: Wie geht es den Schweizerinnen und Schweizern im Homeoffice?
Martin Kleinmann: Sie sind zwar zufrieden mit ihrer Arbeit, aber deutlich unzufriedener als in der Zeit vor Corona. Ich erwarte, dass die Zufriedenheit weiter zurückgeht, weil es den Menschen im Homeoffice irgendwann zu viel wird. Sie geben an, zudem erschöpfter und gestresster zu sein.
Homeoffice erlaubt also nicht mehr Zeit im Pyjama auf dem Sofa, sondern bedeutet tatsächlich mehr Arbeit?
Darüber weiss ich nur begrenzt etwas: Für manche Leute ist es ein Problem, dass der Weg zum Zug oder der Nachhauseweg wegfällt. Sie können sich weniger vom Privaten abgrenzen und arbeiten eher pausenlos und länger.
Auf der anderen Seite können manche deutlich weniger gut ihre Ziele erreichen. Das kann damit zu tun haben, dass sie sich weniger motivieren können, liegt aber auch an Störungen durch Kinder oder den Partner.
Die Menschen schätzen es, flexibler zu sein. Das würden sich die Schweizerinnen und Schweizer auch für die Zeit nach Corona wünschen.
Gibt es auch etwas, was von daheim aus besser geht?
Ja. Die Menschen schätzen es, flexibler zu sein. Dass sie wählen können, von wo sie arbeiten und auch mehr am Haushalt teilhaben können. Die Partner, die in den Familien sonst weniger zu Hause sind, geniessen die Zeit mit den Kindern. Diese Wahlfreiheit würden sich die Schweizerinnen und Schweizer auch für die Zeit nach Corona wünschen.
Wie sehr fehlt der Kaffee mit den Kolleginnen und Kollegen?
Was ich häufig höre, ist, dass sie jetzt eine virtuelle Kaffeepause machen. Man trifft sich digital, jeder mit einem eigenen Kaffee und schwatzt eine Viertelstunde. Das ist ein Indikator dafür, dass die gemeinsamen Pausen fehlen.
Übrigens vermissen viele auch die Wertschätzung der Vorgesetzten. Online-Meetings sind sehr funktional. Es geht direkt los, man lacht aber weniger. Die Anerkennung fehlt den Menschen und sie fühlen sich einsamer, isoliert.
Wie wird es sein, wenn wir wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren?
Es wird zunächst ungewöhnlich sein, weil wir nicht wie gewohnt in der Mensa sitzen werden, sondern mit zwei Meter Abstand.
Abhängig von der Art, was für einen Kontakt wir wählen, haben wir ein Gespür, wie wir uns platzieren: Wann geht man auf jemanden zu? Wann hält man Abstand? Das wird unpersönlicher sein.
Vorgesetzte haben durch Corona gelernt, dass sie ihren Mitarbeitenden vertrauen können – auch im Homeoffice.
Wird sich die Arbeitswelt verändern durch die Corona-Zeit?
Ich empfinde die Schweiz als Pendler-Nation: Ich glaube und hoffe, dass man versucht, aus der Situation zu lernen und Arbeit flexibler gestaltet. Dass man sich überlegt, ob man tatsächlich eine Stunde zu einer Besprechung hinfährt oder einfach digital dazukommt. Vorgesetzte haben durch Corona gelernt, dass sie ihren Mitarbeitenden vertrauen können – auch im Homeoffice.
Ich wünsche mir auch, dass es zu einer Entzerrung beim Verkehr führt, zu einer besseren Übereinstimmung von Beruf und Privatleben. Man kann auch über neue Konzepte nachdenken wie «Nomadenbüros»: Warum sollte jeder ein eigenes Büro haben, das dann oft leer steht, wenn man es auch teilen kann?
Auch Sie arbeiten im Homeoffice. Was sind ihre Tipps fürs Arbeiten von zu Hause?
Neben Routinen ist es hilfreich, wenn man sich morgens hinsetzt und sich fragt: «Was sind meine Ziele heute?» Nicht einfach loslegen, sondern das aufschreiben. Ziele motivieren!
Nur schlafen und am Schreibtisch sitzen macht nur begrenzt Spass. Also sollte man sich auch überlegen, was für ein Bedürfnis nach Erholung man hat: Ganz egal, ob man joggt, spazieren geht, ein Spiel spielt, kocht. Wir brauchen den Ausgleich.
Das Gespräch führte Ramona Drosner.