«Hast du gesehen? Der Mers-Fall in Ägypten wurde bestätigt!» «M-hm. Die WHO hat die Reiseempfehlungen aber nicht verändert, von dem her aktualisieren wir einfach unsere Website.»
Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung und Internationale Zusammenarbeit, bespricht mit einer Mitarbeiterin die aktuellen Informationen zur Situation auf der arabischen Halbinsel. Seit 2013 sorgt dort das Mers-Virus («Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus») für Angst und Schrecken.
Beim BAG beobachtet man die Geschehnisse in Saudi-Arabien und Ägypten genau. Doch Hektik ist deswegen keine ausgebrochen bei den Schweizer Experten, die sich mit der Pandemiegefahr für die Schweiz auseinandersetzen. «Wichtig ist, dass wir die Relationen sehen und nicht wegen 100 Toten in unnötige Panik und in Aktionismus verfallen», sagt Patrick Mathys. «So tragisch das im Einzelfall ist – es betrifft die Stufe Individuum.» Die Aufgabe des Epidemiologen ist es, die grösseren Relationen zu sehen und die Gefahr für die gesamte Bevölkerung abzuschätzen.
24 Stunden, 365 Tage
Die fetten Schlagzeilen, die in den Medien immer wieder vor «Killerviren» warnen, sind den BAG-Experten deshalb auch ein Dorn im Auge. Am Beispiel des aktuellen Mers-Virus erklärt Mathys: «Das betroffene Gebiet umfasst die ganze arabische Halbinsel. Auf dieser riesigen Fläche sind dem Virus in 20 Monaten ungefähr 120 Menschen zum Opfer gefallen.» Das Risiko, in den Ferien an Mers zu erkranken, sei wesentlich kleiner als die Chance, den Euromillions-Jackpot zu knacken...
Die Einschätzungen der Experten werden laufend über die Website des BAG veröffentlicht. Wie eben heute morgen, als sie den bestätigten Mers-Fall kommunizieren, aber noch keine anderen Reiseempfehlungen für den Nahen Osten herausgeben.
Rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr durchforsten Mathys und sein Team das Internet mit speziellen Programmen nach Informationen von Spitälern, Kliniken und Gesundheitsbehörden. Dabei haben sie auch Zugriff auf öffentlich nicht zugängliche Informationen. Zudem steht das BAG im ständigen Austausch mit Wissenschaftler in Labors und anderen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO, die global den Kampf gegen Pandemien anführt.
Zweimal täglich trägt das Team aus sechs Mitarbeitern alle neuen Information zusammen und analysiert, ob Massnahmen ergriffen oder Empfehlungen angepasst werden müssen.
Hollywood lässt nicht grüssen
Patrick Mathys und seine Leute müssen auf alles vorbereitet sein. «Die Influenza-Pandemie hat am ehesten das Potenzial, gefährlich zu werden, weil sich das Virus verändern kann. Aber auch unbekannte neue Viren sind ein Thema.» Das letzte Mal sorgte bei Mathys die pandemische Grippe in Mexiko für schlaflose Nächte. «Um für den Ernstfall bereit zu sein, führen wir Planspiele durch. Begegnen einem in der Realität plötzlich Zahlen aus diesen Szenarien, fährt das schon ziemlich ein.»
Doch momentan ist die Lage ruhig und kein Virus bedroht die Schweizer Bevölkerung unmittelbar. Mathys kehrt zurück an seinen Bürotisch und notiert noch ein paar Informationen. Irgendwie erwartet man etwas mehr Hektik und CSI-Atmosphäre. «Unsere tägliche Arbeit findet an ganz normalen Computern statt», winkt Mathys ab. «Räume voller Hightech und nervösen Leuten, die warten, bis rote Lämpchen aufleuchten – das ist definitiv nicht real.»