Corona polarisiert in so manchen Fragen. Eine davon: Mildert Vitamin D den Covid-Verlauf? Während einige auf das Sonnenvitamin schwören, bleiben stichhaltige Beweise aus. Ein Faktencheck.
Das Wunder von Elgg
Das Wunder von Elgg machte letzten Herbst die Runde: Im Elgger Pflegezentrum Eulachtal erkrankten 25 Bewohner an Covid-19, doch alle nur mit milden Symptomen. Und: Sie nahmen alle Vitamin D ein. Zufall?
Nationalrätin Therese Schläpfer wurde auf den Fall aufmerksam und forderte den Bundesrat auf, Vitamin D breit zu empfehlen. «Viele Heime, am liebsten alle, sollen die Menschen mit Vitamin D versorgen.»
Eine nationale Empfehlung blieb aus. Denn trotz aller Euphorie ist Vorsicht geboten. Ein Altersheim in Flawil etwa zeigt das Gegenbeispiel zu Elgg: Im Heim erkrankten knapp 60 Bewohner an Covid-19, die Hälfte von ihnen nahm Vitamin D.
Beim Krankheitsverlauf schien das Vitamin keine Rolle zu spielen: Unter den knapp 40 Genesenen nahm die Hälfte Vitamin D Supplemente, die andere nicht. 20 Menschen verstarben, wobei 9 von ihnen regelmässig Vitamin D eingenommen hatten.
«Keine einzige Studie kann man brauchen»
Der Muotathaler Hausarzt Matthias Gauger ist prominenter Vitamin D Verfechter. Auch er verlangt einen flächendeckenden Einsatz des Vitamins. Diverse Studien würden den Zusammenhang von Vitamin D und weniger oder schwächeren Covid-Erkrankungen beweisen. «15 Studien zeigen eine Risikoreduktion von 65%.»
Felix Huber, Leiter des Hausärztenetzwerkes Medix und Mitglied der Corona-Taskforce, widerspricht: «Man weiss, dass Vitamin D nicht vor Covid-19 schützt und den Verlauf einer Covid-Infektion nicht günstig beeinflusst.» Die Studien dazu habe man geprüft: «Sie wurden alle schlecht durchgeführt, keine einzige Studie kann man brauchen.»
Macht Vitamin D Appetit auf Glacé?
Eine Tatsache bleibt: Viele der (teils schwer) an Covid-19-Erkrankten weisen einen Vitamin-D-Mangel auf. Diese Tatsache stellt Felix Huber nicht in Frage. Dass der Vitamin-D-Mangel darum einen Einfluss auf die Erkrankung habe, aber schon.
Die entscheidende Frage: Nur Korrelation oder auch Kausalität? Was sich nach Fachjargon anhört, ist eigentlich ganz einfach.
Ein Beispiel: Steigt der Vitamin D Spiegel bei Menschen, werden erwiesenermassen auch mehr Glacés verkauft. Trotzdem hilft Glacé nicht gegen Vitamin-D-Mangel. Und mehr Vitamin D im Körper macht auch nicht mehr Appetit auf Glacé. Zumindest nicht direkt. Denn was beide Dinge miteinander verbindet: die sonnigen Tage. Die Menschen tanken an der Sonne mehr Vitamin D – und haben bei den höheren Temperaturen auch mehr Glacé-Lust. Korrelation ja, Kausalität nein.
Bei Corona und Vitamin D verhält es sich ähnlich: Ältere Menschen sind sowohl von einem schweren Covid-19-Verlauf, als auch von einem Vitamin-D-Mangel häufiger betroffen.
Fazit: Ob Fallbeispiele, Studien oder Zusammenhänge von Vitamin-D-Mangel und Covid-19-Fällen; sie alle bleiben bis heute stichhaltige Belege schuldig. Vitamin D gegen Covid: Mehr Hoffnung als Beweis.