Drei Tage. Um drei Tage verzögerte die totale Quarantäne der Stadt Wuhan die Ausbreitung des neuen Coronavirus auf 400 andere Städte Chinas.
So lautet die Schätzung in einer aktuellen Studie britischer Epidemiologen, die seit Sonntag online ist. Dass man zehn Tage nach Beginn der Quarantänemassnahme schon eine erste Bilanz versucht, ist schnell.
Dank der Studie kann man sich nun streiten: War das wertvolle, gewonnene Zeit für die anderen chinesische Städte, um sich auf das Virus vorzubereiten? Oder rechtfertigen die paar Tage Aufschub den immensen Aufwand einer Quarantäne dieser Grössenordnung nicht?
Von der Vergangenheit lernen
Sicher ist aber: Diese Studie ist nur ein Beispiel von vielen. Forscher und Forscherinnen, die sich rund um die Welt mit Infektionskrankheiten beschäftigen, liefern zurzeit unzählige Musterbeispiele dafür, wie sehr es sich lohnt, weltweit zu kooperieren und Daten zu teilen.
Forscherteams entziffern Virusgenome in Rekordzeit und untersuchen, wie nah verwandt eine Virusprobe eines Patienten mit derjenigen eines anderen ist.
Sie berechnen, wie sich das Virus weiter ausbreiten könnte, wie schnell und vor allem auch wohin – und eben: was die Quarantäne ganzer Millionenstädte eigentlich bringt.
Wissenschaftler spannen zusammen
Das erste und wichtigste Ergebnis so einer Zusammenarbeit ist der diagnostische Test für den Coronavirus. Labore in den USA, Hongkong und Europa haben ihn gemeinsam entwickelt: Das Labor von Christian Drosten an der Berliner Charité übernahm die Führung und entwickelte den Test. Die anderen vier Labore prüften als unabhängige Gutachter, was Drosten und seine Leute vorlegten.
Statt dass alle Labors das Gleiche versuchten, um sich gegenseitig zu übertrumpfen, spannten sie zusammen und legten einen validen Test innerhalb von Tagen vor. Die Lorbeeren dafür erntet nun vor allem das deutsche Labor. Doch die öffentliche Anerkennung war den anderen Teams in diesem Fall offenbar nicht so wichtig.
Dass sie einen diagnostischen Test für ein neues Virus innerhalb weniger Tage entwickeln konnten, ist ein Rekord. Und kein unwichtiger. Um Infizierte sicher erkennen und isolieren zu können, sind Krankenhäuser auf eine valide Diagnose angewiesen.
Ein weiteres Beispiel für einen Wissenschaftler, der sehr schnell reagierte, ist Neil Ferguson vom Imperial College London. Er lieferte ein erstes Gefühl für die Grösse des aktuellen Krankheitsausbruchs. Ferguson veröffentlichte Hochrechnungen, wie viele Infizierte es zu einem bestimmten Zeitpunkt gab.
Für den 22. Januar lautete seine Schätzung: 4000 Infizierte. Für den 26. Januar schon 100'000. Das zu einem Zeitpunkt, als die offiziellen Zahlen noch von rund 2000 Infizierten ausgingen.
Grob geschätzt ist halb gewonnen
Natürlich musste der Forscher mit Daumenwerten arbeiten, er musste Annahmen treffen und vieles konnte er nur grob abschätzen. Der Unsicherheitsbereich seiner Angaben war und ist entsprechend gross.
Doch Fergusons Zahlen machten klar, dass das Ausmass des Ausbruchs vermutlich deutlich höher lag und liegt, als es die offiziellen Zahlen vermuten liessen.
Ergebnisse auch auf Twitter teilen
Die Forscherinnen und Wissenschaflter haben ihre Lektion aus der Vergangenheit gelernt. Während der Ebola-Krise 2014/15 wurde weltweit gefordert, Forscher müssten schneller und enger kooperieren.
Das tun sie nun, teilen Genomsequenzen auf geeigneten Plattformen, diskutieren ihre Ergebnisse öffentlich auf Twitter und veröffentlichen ihre Studien vorab im Internet. Auch einige wissenschaftliche Verlage machen Studien, die sich mit dem aktuellen Ausbruch beschäftigen, schnell und kostenlos zugänglich.
Sicher ginge das alles noch perfekter, noch schneller, noch besser. Aber es ist ganz klar: Beim Umgang mit dem Coronavirus läuft einiges besser als beim ersten Ebola-Ausbruch. Und manches, was damals zum ersten Mal geradeso klappte, dient jetzt als wichtiger Erfahrungswert.