Zum Inhalt springen
Video
Svante Pääbo erhält den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin
Aus Tagesschau vom 03.10.2022.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 59 Sekunden.

Nobelpreis für Medizin 2022 Evolutionsforschung: Der Neandertaler steckt uns in den Knochen

So viel Urmensch steckt in unseren Genen: Für seine Erkenntnisse über die menschliche Evolution bekommt der schwedische Genetiker Svante Pääbo den Nobelpreis für Medizin.

Wie sind wir Menschen zu dem geworden, was wir heute sind? Für die Beantwortung dieser Frage wurde Svante Pääbo mit dem diesjährigen Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geehrt.

Svante Pääbo

Evolutionsforscher

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der Mediziner und Biologe wurde 1955 in Stockholm geboren. Heute gilt der Schwede als Begründer der Paläogenetik – der Analyse genetischer Proben aus Fossilien und prähistorischen Funden, also lange toten Organismen. Er schaffte es, daraus Erbinformationen zu extrahieren und künstlich zu erzeugen.

Noch als Doktorand, erregte er 1985 Aufsehen mit einer Arbeit über die Klonierung von DNA aus einer 2'400 Jahre alten ägyptischen Kindermumie. Er sequenzierte unter anderem als erster Forscher das Neandertaler-Genom. Als Postdoktorand war er kurz an der Uni Zürich, 1999 gründete er das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, Deutschland, das er heute leitet.

Pääbo setzte neue Massstäbe

Genetiker Pääbo setzte aus 40'000 Jahre alten Knochen und Zähnen ein riesiges Puzzle zusammen und entschlüsselte damit im Jahr 2010 das Erbgut des Neandertalers. Mit einem eigens entwickelten Verfahren konnte er eine Ur-DNA der Menschheit dechiffrieren.

«Das alleine war schon ein grosser Durchbruch, das technisch hinzubekommen», würdigt Anita Rauch, Professorin für Medizinische Genetik an der Universität Zürich, den Nobelpreisträger.

Denn mit dem Zerfall der menschlichen Überreste zerfällt auch das Erbgut. Zudem verunreinigen Bakterien und andere Mikroben die Knochen und Zähne. Und nicht zuletzt ist jeder Mensch, der mit diesen wertvollen, jahrtausendealten Proben arbeitet, ein Risikofaktor: Er könnte die Proben mit seiner eigenen DNA verunreinigen. Deswegen forschte Pääbo in möglichst sauberer Umgebung, im Reinraumlabor.

Der Neandertaler steckt uns in den Knochen

Nobelpreisträger Pääbo verglich in seinen Analysen das Genom des Neandertalers mit jenem des modernen Menschen und stellte fest, dass die Menschheitsgeschichte verflochtener ist als bisher angenommen.

Bei seiner Analyse des Neandertal-Genoms entdeckte er Parallelen zum Erbgut des modernen Menschen Homo Sapiens. Das konnte nur eins bedeuten: Die beiden Menschenarten hatten zusammen Kinder. Eine Erkenntnis, die vor gut zehn Jahren als Sensation gefeiert wurde, denn damit hatte niemand gerechnet.

Video
Archiv: Was steckt vom Urmenschen noch in uns?
Aus Einstein vom 01.10.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 29 Sekunden.

«Wer mit wem Sex gehabt hat vor 30'000 bis 40'000 Jahren kümmert mich eigentlich nicht, die dürfen da machen, was die wollen. Was mich interessiert, ist, wie mich das heute beeinflusst», sagte der Genetiker Svante Pääbo 2015 in der SRF-Sendung «Einstein».  

Ur-Gene beeinflussen uns heute noch

Denn noch heute wirken die Neandertaler-Gene auf uns. Sie beeinflussen nicht nur unser Aussehen wie Hautton oder Haarfarbe, sondern auch die Gesundheit: den Abbau von Fetten beispielsweise oder die Stärkung des Immunsystems.

Dieser Einfluss kann allerdings auch von negativer Natur sein. In den vergangenen zwei Jahren konnten Pääbo und sein Team zeigen, dass sich bei einer Covid-Erkrankung das Risiko eines schweren Verlaufs auf ein Gen zurückführen lässt, welches bereits in der DNA der Neandertaler lag.

Genforschung für bessere Gesundheit

Mit der Frage, wie sich die Gene der Urmenschen auf den modernen Menschen auswirken, beschäftigt sich Pääbo am Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig bis heute.

Eine grosse Frage. Humangenetikerin Rauch der Uni Zürich meint: «Da stehen wir noch am Anfang zu wissen, was das für eine Bedeutung für uns hat.» Die heutigen Lebensbedingungen seien schlichtweg nicht mit jenen der Neandertaler vergleichbar.

Für die Krankheitsprävention könnte die Forschung aber durchaus Gewicht haben, sagt Rauch: «Wenn man besser versteht, was den Menschen einzigartig macht, dann kann man auch Rückschlüsse darauf ziehen, wie man die Gesundheit optimieren kann.»

SRF 1, Tagesschau am Mittag, 03.10.2022, 12:45 Uhr

Meistgelesene Artikel