Als wir uns am Vorabend der Lauberhornabfahrt in einem Skiwachs-Keller umhören, fällt auch dieser Satz: «Man munkelt, die Schweizer hätten ein neues Wunderwachs». Wenn Udo Rauniak das hört, schmunzelt er zufrieden.
Sechs Jahre hat er für Swiss-Ski an diesem Wachs geforscht, hat mit einer Hochschule eigene Moleküle synthetisiert, hat tausende Verbindungen analysiert und ausprobiert: «90 Prozent war jeweils für den Papierkorb.»
Exklusiv für Swiss-Ski
Entstanden ist eine Wachslinie, die nur Swiss-Ski zur Verfügung steht. Bis zur vorletzten Saison haben auch die Schweizer Serviceleute Wachs von internationalen Grossherstellern verwendet. So wie das alle anderen Nationen bis heute tun.
Das ist der Fluorersatz. Der ist aber noch geheimer als das Rezept des Appenzeller Käses.
Rauniak weiss um die Vorteile der eigenen Wachsherstellung: «Wir können innert kürzester Zeit auf die Bedürfnisse der Fahrerinnen und Fahrer eingehen, können gar Wachs angepasst auf eine Strecke zusammenmischen».
In der Wachsküche
Wir fahren ins Sankt-gallische Altstätten. Hier entsteht das Wachs. In der Ecke eines grosszügigen Raumes stehen ein paar Kochtöpfe auf Herdplatten, daneben allerlei Kanister und Kisten und meterweise Gestelle mit Wachsblöcken verschiedenster Farbe. Dahinter verborgen: eine Art Chemielabor und allerhand Messgeräte.
Geheim wie das Appenzeller Rezept
Udo Rauniak tröpfelt eine Flüssigkeit in ein Reagenzglas. «Das ist der Fluorersatz. Der ist aber noch geheimer als das Rezept des Appenzeller Käses», sagt er. Das sich vor sieben Jahren abzeichnende Fluorverbot war der Auslöser der eigenen Wachsproduktion von Swiss-Ski. Seit der vergangenen Saison ist das krebserregende Fluor verboten.
Rauniak verrät uns dann doch, was die Basis des Fluorersatzes ist: «Silikon. Aber davon gibt es Millionen Varianten. Die richtigen zu finden, ist unsere Herausforderung.» Offensichtlich hat Rauniak ziemlich gute gefunden. Der findige Kopf studierte Chemie, Mikro- und Nanotechnologie und Sport und arbeitete 16 Jahre als Entwicklungsleiter bei einem führenden Wachshersteller.
Jetzt mischt er diverse Paraffine und weitere Silikone in einen grossen Kochtopf. Dazu einen Lebensmittelfarbstoff, der hilft, die Wachsarten voneinander zu unterscheiden. Und dann natürlich noch das geheime Silikon-Additiv. Fertig ist eine Wachsmischung extra für das Lauberhornrennen.
Das langhaltende Wengen-Wachs
Zurück im Servicekeller in Wengen. Das Lauberhornwachs soll im flacheren oberen Teil gut beschleunigen und wegen der Rekordlänge der Strecke länger als üblich halten.
Rauniak entwickelt die Wachse stetig weiter. Bei Anlässen wie den Weltmeisterschaften packt er gar seine Wachsküche ein und mischt vor Ort.
Fünf Hundertstel pro Jahr
Und ist es nun ein Wunderwachs? Rauniak sagt ganz analytisch, 80 Prozent sei der Fahrer, der Rest das Material. Das Wachs mache zwei bis fünf Prozent aus, könne also keine sekundengrossen Rückstände kompensieren. «Aber unser Ziel ist es, pro Jahr fünf Hundertstelsekunden schneller zu werden. Und manchmal entscheiden Hundertstel über Sieg oder Niederlage», sagt er. Und schmunzelt wieder.