Möchten Sie in einen gentechnisch veränderten Schweizer Apfel beissen, wenn es erlaubt wäre? Bis 2021 ist es in der Schweiz noch verboten, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen. Was aber, wenn gar nicht mehr festgestellt werden kann, dass der Apfel gentechnisch verändert worden ist?
Das sogenannte «Genome Editing» macht es möglich, Tiere und Pflanzen gentechnisch zu verändern, ohne dass man danach feststellen kann, dass sie gentechnisch verändert wurden. Zu diesem Genome Editing hat heute die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Aussenhuman-Bereich ihre Bedenken geäussert.
Wissenschaftsredaktor Christian von Burg über Potenzial und Gefahren des Genome Editing.
SRF: Was sind die konkreten Sorgen der Ethikkommission?
Christian von Burg: Die Ethikkommission sorgt sich, dass die rechtliche Regulierung der Gentechnik geschwächt werden könnte, so wie das in den USA bereits der Fall ist.
Die Kommission sagt, dass das Vorsorgeprinzip, wie wir es im Umweltbereich seit langem kennen, nicht geschwächt werden dürfe. Vorsorgeprinzip heisst, dass man erst genau prüfen muss, ob eine neue Technik einen möglichen Schaden mit sich bringen kann. Dieses Vorsorgeprinzip müsse im Gegenteil konsequent gestärkt werden. Gerade auch beim Genome Editing.
Wie funktioniert denn Genome Editing?
Es ist eine viel genauere, raffiniertere Variante der herkömmlichen Gentechnik. Es gibt dazu verschiedene Verfahren – die sogenannte Genschere CRISPR/Cas ist nur eines davon.
Bei der herkömmlichen Gentechnik ist es meist so, dass fremdes Erbgut in eine Pflanze oder ein Tier eingebracht wird. Mit Genome Editing wird auch eine Variation im Erbgut erzeugt. Im Endprodukt aber ist dann keine fremde DNA mehr enthalten.
Für welche Wirtschaftsbereiche ist denn diese Technologie interessant?
In der Pflanzenzucht zum Beispiel kann man sie einsetzen. Mit dieser Technologie lassen sich schneller neue oder resistentere Pflanzensorten züchten – so zumindest das Versprechen.
Ich habe eben noch mit dem Saatgutproduzenten Syngenta telefoniert. Da sagte man mir, dass sich die Kosten für Pflanzenzüchtungen mit Genome Editing massiv senken liessen – insbesondere auch bei Kulturpflanzen wie Bananen, Maniok oder Kartoffeln, die man nicht über Samen, sondern vegetativ, also über Wurzelknollen, vermehrt.
Tönt eigentlich ja gut – wo liegt das Problem?
Die Befürchtungen sind die gleichen wie bei der herkömmlichen Gentechnik. Wenn etwa Mais resistent gemacht wird gegen bestimmte Herbizide, könnten über die sogenannte Auskreuzung Unkräuter ebenfalls resistent werden. Das Herbizid wäre dann nutzlos.
So ein Eingriff könnte das Ökosystem völlig aus dem Ruder bringen.
In vielen Fällen wisse man noch viel zu wenig über die möglichen Folgen, sagt die Ethikkommission. Die grösste Gefahr aber sieht sie in neuartigen Projekten, in denen es darum geht, ganze Tierarten auszurotten. Die Malariamücke zum Beispiel.
Für uns Menschen tönt das nach einer guten Idee.
Ja schon. Aber ich teile die Ansicht der Kommission. Ich betrachte das ebenfalls als extrem heikel. Führen Sie sich nur mal vor Augen, wie viele andere Tiere sich von Mücken oder Mückenlarven ernähren. Vögel oder Fische etwa – so ein Eingriff könnte das Ökosystem völlig aus dem Ruder bringen.
Die Technik dazu nennt sich übrigens Gene Drive. Sie bewirkt eine beschleunigte Ausbreitung von Genen in einer Population. Wenn dabei eine wichtige DNA-Sequenz entfernt, können sich die Tiere nicht mehr fortpflanzen. Man könnte so zum Beispiel auch invasive Tierarten auf bestimmten Inseln wieder zum Verschwinden bringen. Die Aga-Kröte etwa in Australien, oder die Katze.
Aber stellen Sie sich nur vor, das funktioniert! Ein paar von diesen manipulierten Katzen kämen zu uns – und schwupps – es gäbe keinen Katzen mehr. Ich glaube nicht, dass es uns ansteht, ganze Tierarten auszulöschen.
Welche Konsequenzen hat denn nun der Bericht der Ethikkommission Fliesst er in neue Gesetze ein?
Das Parlament hat das Gentech-Moratorium bis 2021 verlängert. Damit dürfen also – ausser in abgeschirmten Forschungs-Versuchen in der Schweiz – keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden. Aber ausserhalb der Schweiz tut sich viel.
Wie gesagt, in den USA haben die Behörden im März entschieden, dass geneditierte Pflanzen nicht unter die Gentechnik-Bestimmungen fallen. Der Europäische Gerichtshof wird in Kürze ein Urteil fällen, in dem es ebenfalls genau um diese Frage geht. Auch wenn bei uns in der Schweiz derzeit keine unmittelbaren Entscheide anstehen: Wir werden sicher bald wieder mit dem Thema konfrontiert werden.