Die Aufnahme aus dem Computertomografen zeigt: ein Tumor in der Lunge. Früher hätte der Arzt mit einem digitalen Lineal den Durchmesser bestimmt, sagt der angehende Radiologe Thomas Weikert vom Universitätsspital Basel.
Um abzuschätzen, wie ein Lungentumor auf eine Therapie ansprechen würde, sei es aber besser, sein Volumen zu kennen. «Von Hand dauert das sehr lange», so der 34-jährige Assistenzarzt. Weil das so aufwendig sei, könne nicht jeder Befund dreidimensional untersucht werden.
Tumor-Volumen automatisch messen
«Hier sehe ich ganz grosses Potenzial, dass das Volumen in ein paar Jahren automatisch gemessen wird», so die Einschätzung von Weikert, der zusammen mit anderen Medizinern des Unispitals Basel den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Radiologie erforscht.
Auch bei Aussackungen der Hauptschlagader, sogenannten Aneurysmen, werden Bildanalysen eingesetzt. Bei diesem sehr gefährlichen Befund wird erst ab einer gewissen Grösse operiert. Auch hier müssen die Radiologen immer mühsam von Hand messen. Und auch hier könnte künstliche Intelligenz den Ärzten die Arbeit erleichtern.
Der Computer analysiert
«Das sind Tätigkeiten, von denen ich überzeugt bin, dass sie in absehbarer Zeit automatisiert werden», glaubt Weikert. «Als Radiologe kontrolliert man dann nur noch die Ergebnisse.»
Künstliche Intelligenz hat in der Medizin einen regelrechten Hype ausgelöst. Für Naomi Lee von der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet» hat das damit zu tun, dass künstliche Intelligenz viele Daten verarbeiten, Dinge klassifizieren, Muster erkennen und Voraussagen machen kann. «Darum geht es in der Medizin ja immer: Man will verstehen, wer eine Krankheit bekommt oder sie schon hat. Es geht um Diagnosen und Therapieoptionen», sagt Lee.
Die Radiologie ist sozusagen die Paradedisziplin für künstliche Intelligenz in der Medizin. Die Zeiten, als noch analoge Röntgenaufnahmen vor den Leuchtkasten gehalten wurden, sind vorbei. Heute seien alle Bilder digital – und damit einer automatisierten Analyse durch Algorithmen zugänglich, so Weikert.
Computer als zweites Augenpaar
Künstliche Intelligenz hilft in der Radiologie auch, Informationen nach Wichtigkeit zu sortieren. Sie dient als Assistenzsystem oder als zusätzliches Augenpaar. So läuft am Universitätsspital Basel ein Pilotversuch mit einer Software, die Hirnblutungen erkennt.
Dabei analysiert ein Algorithmus, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Hirnblutung vorliegt – zum Beispiel bei einem Notfallpatienten mit einer Kopfverletzung. Wird ein bestimmter Wert überschritten, schlägt das System Alarm. Dann sieht sich der Radiologe die Bilder dieses Patienten sofort an.
Überlebenswichtige Minuten sparen
Auch bei Lungenembolien, wenn also Blutgerinnsel die Lungenarterien verstopfen, könnte ein Algorithmus helfen, wichtige Minuten zu sparen. «Man kann mit Blut verdünnenden Medikamenten direkt einschreiten», sagt der angehende Radiologe Thomas Weikert. «Je schneller das passiert, umso besser ist es.»
Bei diesem Algorithmus seien die Testwerte im Labor so gut, dass er am Universitätsspital Basel bald im klinischen Alltag genutzt werden soll.