Nerven geben ihre Signale über elektrische und chemische Impulse weiter. Deshalb versuchen Forscher verletztes Nervengewebe – nach einer Querschnittslähmung zum Beispiel – mit Hilfe von Elektroden zur Regeneration anzuregen oder die entstandene Lücke zu überbrücken.
Das Problem dabei: Herkömmliche Kabel und elektrische Geräte sind härter und starrer als natürliches Gewebe. Die Folge: Setzt man Implantate aus solchem Material in das empfindliche Nervengewebe ein, richtet das oft mehr Schaden an als dass es nutzt.
Stephanie Lacour ist Expertin für Materialentwicklung. Sie stellt gemeinsam mit dem Neurowissenschaftler Grégoire Courtine ein neuartiges Implantat vor. Das «e-Dura» getaufte Fabrikat sieht aus wie ein fingerlanges Stück durchsichtiger Plastikfolie, darin feine, glänzende Metallfäden. Das Besondere dabei ist das Material. Es ist Silikon und damit sehr elastisch und weich. Man kann es dehnen und verdrehen, es kehrt immer wieder in seine alte Form zurück.
Flexible elektrische Leiter
Und auch die glänzenden Metallfäden machen diese Belastungen mit. Stephanie Lacour: «Sie bestehen aus Gold, und sind durchzogen von kleinen Mikrorissen, die aber untereinander nicht miteinander verbunden sind. So können wir die metallischen Leiter dehnen, ohne dass sie reissen.»
Ihr Implantat haben die Forscher bisher an Ratten getestet. Es wird direkt unterhalb der Dura Mater, der zähen Haut, die Rückenmark und Gehirn umschliesst, eingebracht und schickt elektrische Impulse in Richtung Rumpf und Beine.
Gelähmte Tiere lernten so, ihre Beine wieder kontrolliert zu bewegen und Schritt vor Schritt zu setzen. Dass das funktionieren kann, hatten schon frühere Versuche im Labor von Grégoire Courtine gezeigt, doch die starren Implantate hatten oft für Komplikationen gesorgt. Um den Fremdkörper herum entzündete sich das Gewebe, es bildeten sich Narben. Entweder das Implantat ging dadurch kaputt, oder es musste entfernt werden, weil die Tiere litten.
Anders das neue Implantat. Stephanie Lacour: «Nach knapp zwei Monaten funktionierten die Signale immer noch genauso gut, und wir fanden keine Anzeichen für Nebenwirkungen.» Jetzt stehen weitere Tests an, diesmal über einen längeren Zeitraum. Bis Material und Konzept für erste klinische Versuche mit Patienten zugelassen werden, wird es noch mehrere Jahre brauchen.
Einsatz bei Epilepsie, Parkinson oder chronischen Schmerzen
Mögliche Anwendungen gäbe es jedenfalls genug: Querschnittsgelähmte könnten profitieren, genauso Menschen mit motorischen Störungen durch Parkinson, mit chronischen Schmerzen oder Epilepsie. Stephanie Lacour freut sich: «Es kommt tatsächlich auch auf die mechanischen Eigenschaften der Implantate an.»
Das heisst, es kommt eben nicht nur auf ihre Funktionsweise oder die Körperstelle, wo sie eingesetzt werden, an. Damit hat die Materialwissenschaftlerin etwas bewiesen, wovon sie schon lange überzeugt war.