Wissenschaftlich ist das Gehirn einer Schwangeren noch ein Mysterium. Es gibt erst eine Handvoll Studien dazu, die erste stammt aus dem Jahr 2016. Damals machten Forschende MRT-Scans vor und nach der Schwangerschaft. Was fehlte: Alles, was dazwischen passiert.
Diese Lücke konnten Forschende aus Kalifornien nun füllen: Sie machten 26 Hirnscans bei einer schwangeren Frau, den ersten Scan drei Wochen vor der Befruchtung, den letzten zwei Jahre nach der Geburt. Dazu nahmen sie Blutproben, um auch die Hormonschübe zu messen.
Bemerkenswerter Umbau
Als sie die Daten das erste Mal sahen, waren sie fast schon ehrfürchtig, erzählt die Neurowissenschaftlerin Emily Jacobs: «Wir sahen, wie sich das Gehirn der Schwangeren Woche für Woche umformte». Die Hirnrinde wurde immer dünner. Man sagt der Hirnrinde auch graue Substanz, sie schrumpfte und schrumpfte. Und zwar fast überall im Hirn, im Ganzen um vier Prozent.
Dass die graue Substanz abnimmt, wussten die Forscherinnen aus einer früheren Studie bereits. Was sie jetzt aber sahen: Sie schrumpfte konstant. Die Forscherinnen sahen aber noch mehr: Die weisse Substanz, also die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, wurden im Verlauf der Schwangerschaft zuerst immer dichter. Dann nahm sie wieder ab und erreichte am Ende der Schwangerschaft wieder ihren Ausgangswert. «Das haben wir nicht erwartet», sagt Jacobs Kollegin, Elizabeth Chrastil, «das hat uns verblüfft.»
Die Studie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet
Was diese starken Veränderungen für eine Mutter bedeuten, wie sie sich auf das Denken und Fühlen auswirken, darüber wissen die Forscherinnen noch kaum etwas. «Die Studie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet», sagt Chrastil. Sie fangen gerade erst an, an der Oberfläche zu kratzen.
Eine Art zweite Pubertät
Dass die graue Substanz schrumpfe, sei aber wohl nichts Schlechtes, meint Emily Jacobs: «Wahrscheinlich ist das die Verfeinerung der neuronalen Schaltkreise, die es dem Gehirn ermöglichen, sich weiter zu spezialisieren.» Das sei ähnlich wie während der Pubertät. Auch da bauen Hormone das Gehirn um, die graue Substanz schrumpft etwa gleich viel wie während der Schwangerschaft.
Und wie die Pubertät einen Menschen auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereitet, könnte das auch bei der Schwangerschaft so sein. Dabei hält diese Verfeinerung des Nervengeflechts über die Schwangerschaft hinaus an. In dieser Studie bis zwei Jahre nach der Geburt, länger haben die Forscherinnen es nicht untersucht. Sie vermuten aber, dass die Veränderungen sogar für immer bleiben. Dafür sprechen Beobachtungen aus anderen Studien. So konnten Forschende anhand von Hirnscans von 50- bis 70-jährigen Frauen sagen, ob sie Kinder haben und wenn ja, wie viele.
Aber eben, was genau dieser Umbau für die Frauen bedeutet: Man weiss es noch nicht. Klar ist aber, wie es weitergeht: Die Studie ist der Startschuss zum Maternal Brain Project. Ein internationales Projekt, bei dem in den kommenden Jahren Dutzende Frauen genau unter die Lupe genommen werden sollen.