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Impfschäden: Betroffene verlangen Gerechtigkeit
Aus Rendez-vous vom 27.05.2024. Bild: KEYSTONE/Gian Ehrenzeller
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Covid-Impfschäden Impfgeschädigte warten in der Schweiz bis heute auf Genugtuung

Während Corona haben Impfungen weltweit dazu beigetragen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Bei manchen Menschen hat die Corona-Impfung aber so schwere Nebenwirkungen ausgelöst, dass die Betroffenen bis heute gesundheitlich schwer beeinträchtigt sind. Sie fühlen sich vergessen.

Von 100'000 Geimpften haben 20 bis 30 Personen von der Corona-Impfung schwere Gesundheitsschäden davongetragen: Dies die Schätzung der Universitätsklinik Marburg, die eine Sprechstunde für Impfgeschädigte anbietet.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach versprach Betroffenen bereits im März 2023 Hilfe. Seither hat Deutschland in Hunderten von Fällen Entschädigungen gesprochen.

BAG lässt sich Zeit

In der Schweiz ist diese Möglichkeit gemäss Epidemiengesetz auch vorgesehen. Doch das zuständige Bundesamt für Gesundheit lässt sich Zeit – und schweigt mehrheitlich. Auf Anfrage von SRF schreibt das BAG: «Bis jetzt sind rund 300 Gesuche beim Generalsekretariat des EDI eingegangen. Bis heute wurden keine Entschädigungen gesprochen. Während der Pandemie mussten die Prozesse der Gesuchsbearbeitung neu etabliert werden.»

Das Thema ist nach wie vor tabuisiert: Über drei Jahre nach Beginn der Impfkampagne wird das nach unserem Empfinden unter den Tisch gewischt.
Autor: Gregor Haab Präsident «Post Vakzin Syndrom Schweiz»

Gregor Haab ist Präsident des Vereins Post Vakzin Syndrom Schweiz. Er versteht das Schweigen nicht: «Das Thema ist nach wie vor tabuisiert: Über drei Jahre nach Beginn der Impfkampagne wird das nach unserem Empfinden unter den Tisch gewischt.» Nimmt man die Angaben aus Marburg als Richtschnur, könnten in der Schweiz zwischen 1'200 und 1'800 Menschen einen Impfschaden erlitten haben.

Wie zum Beispiel Gregor Haabs Tochter: «Sie hat Schwindel, Migräneattacken und Gleichgewichtsprobleme, zudem verursacht jede Anstrengung einen kleinen Crash.» Ähnlich die Langzeit-Beschwerden der Ehefrau: Seit der Impfung leide sie chronisch an Sichteinschränkungen, Schwindelanfällen und einer schweren Müdigkeit (Fatigue).

Das Gespräch wurde mehrfach gesucht

Der Verein Post Vakzin Syndrom Schweiz hat mit den Gesundheitsbehörden mehrfach das Gespräch gesucht und um Hilfe gebeten. Sie seien jedoch nicht durchgedrungen. «Für Post-Vac wird nichts getan», bilanziert Gregor Haab. Dem widerspricht das BAG. Auf Nachfrage schreibt das Bundesamt: «Das BAG nimmt das Thema sehr ernst und pflegt den Austausch mit verschiedenen Stakeholdern.» Von den eingereichten Gesuchen auf Entschädigung seien etwa 30 noch hängig.

Die Antworten des BAG

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Das Bundesamt für Gesundheit hat zu den Fragen von SRF schriftlich Stellung genommen. Auf die Frage, weshalb die Abklärungen zu schweren Impfnebenwirkungen in der Schweiz so viel länger dauern als in Deutschland, und weshalb bisher noch kein einziges Gesuch auf Entschädigung bewilligt worden sei, antwortet das Bundesamt:

«Das BAG klärt die Gesuche sorgfältig ab. Das Ziel ist festzustellen, ob ein Kausalzusammenhang zwischen den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung besteht. Das Eidgenössische Departement des Innern erachtet es als möglich, dass im laufenden Jahr Verfügungen erlassen werden, welche eine Entschädigung bzw. Genugtuung vorsehen.»

Im Weiteren schreibt das BAG:

«Für den Begriff <Post-Vac-Syndrom> existiert noch keine international anerkannte, standardisierte Falldefinition. Bestimmte, in der Regel länger andauernde und sehr heterogene Beschwerden nach einer Covid-19-Impfung werden inzwischen teils als <Post-Vac-Syndrom> bezeichnet. Diese Symptome oder Beschwerden können denen von Long Covid bzw. Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ähneln.

Das BAG verfolgt im engen Austausch mit Swissmedic die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe sowie die Empfehlungen und Richtlinien, welche die Gesundheitsbehörden anderer Länder und medizinischen Fachgesellschaften aussprechen.»

Auf Bescheid vom BAG wartet Michael Hirt: Der selbständige Berater hat vor anderthalb Jahren ein Gesuch für seine Frau eingereicht, die seit der Corona-Impfung im April 2021 praktisch vollinvalide ist: «Sie verbringt 18 Stunden im Tag liegend, die restlichen Stunden im Rollstuhl.» Sie könne nicht für sich selbst sorgen, sei auf Betreuung angewiesen.

Bei der heute 57-Jährigen stellten die Ärzte das POTS-Syndrom fest: Sobald sie aufrecht sitzt oder steht, fängt der Puls an zu rasen, dazu kommen Benommenheit und Schwindel. Auch beim Sohn des Ehepaars Hirt wurde POTS diagnostiziert. Sein Studium habe der 22-Jährige abbrechen müssen.

Es fehlt an Kommunikation

Im Juni 2023 verlangte das BAG von Michael Hirt weitere Unterlagen. Seither habe er nichts mehr gehört. Es gebe keine Kommunikation mit dem Bundesamt, «nullkommanull.»

Doch Michael Hirt will sich nicht mehr mit den Behörden herumschlagen. Sein Fokus liegt auf der Familie: Sie hätten sich mit ein paar wenigen Vertrauten so eingerichtet, «dass irgendwo ein lebenswertes oder lebenswerteres Leben für meine Frau und meinen Sohn möglich wird.» Eine Entschädigung würde dabei helfen.

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Rendez-vous, 27.05.2024, 12:30 Uhr

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