Lange Zeit wurde Typ-1-Diabetikern vom Sport eher abgeraten, heute ist das Gegenteil der Fall. Denn Sport hat auch für insulinbedürftige Diabetiker verschiedene gesundheitliche Vorteile: So senkt regelmässiges Training den Ruhepuls und den systolischen Blutdruck und hilft bei der Gewichtskontrolle.
Um von diesen Vorteilen profitieren zu können, müssen die zuckerkranken Sportler ihren Körper jedoch sehr gut kennen. Denn die Therapie zur Kontrolle der Blutzuckerwerte muss der Intensität der jeweiligen Sportart angepasst werden, sonst droht eine Entgleisung der Blutzuckerwerte.
Sport führt grundsätzlich zu einer Erhöhung der Insulinsensitivität des Körpers, so dass immer die Gefahr einer Unterzuckerung besteht. Besonders bei Ausdauersportarten wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen führt die muskuläre Aktivität zu einer Erhöhung von sogenannten Glucosetransportern in den Muskelzellen, die dafür sorgen, dass der für die Bewegung nötige Zucker aus dem Blut in die Muskelzelle gelangen kann. Diese Transporter werden gleichzeitig auch durch Insulin gesteuert.
Bei gesunden Menschen drosselt der Körper deshalb während des Sportes die Insulinproduktion und verhindert so eine Überstimulation der Glucosetransporter und damit ein Abfallen des Blutzuckers. Zudem führt die verminderte Insulinproduktion dazu, dass der Körper in der Leber mehr Glucose produziert, die dann ins Blut gelangt und den Muskeln wieder zur Verfügung steht.
Gefahr der Unterzuckerung
Bei insulinbedürftigen Diabetikern ist diese Regulation hingegen gestört. Betroffene müssen sich das fehlende Insulin von aussen zuführen. Dieses gespritzte Insulin sinkt dann aber beim Sport nicht wie bei Gesunden von selber ab, was zu heiklen Situationen führen kann. Der hohe Insulinspiegel hemmt einerseits die Glucoseproduktion in der Leber, andererseits werden so die Glucosetransporter im Muskel noch zusätzlich stimuliert, was zu einem massiven Zuckereinstrom in den Muskel führt, während der Zucker im Rest des Körpers knapp wird.
Dies alles kann zu schweren Unterzuckerungen (Hypoglykämien) während dem Sport führen. Im Extremfall treten dann Bewusstseinsstörungen auf. Dieses Risiko kann je nach sportlicher Aktivität auch noch Stunden nach der Aktivität und in der Nacht erhöht bleiben, da die Glucosetransporter weiter arbeiten. Betroffene müssen deshalb den Blutzucker vor, während und nach dem Sport gut kontrollieren und die Insulinmenge auf die sportliche Aktivität anzupassen.
Bei Ausdauersportarten bedeutet das meist eine Reduktion der Insulindosis. Ideal dazu geeignet sind die heute verfügbaren Insulinpumpen, die eine flexible und rasche Anpassung der zugeführten Insulinmenge ermöglichen.
Gefahr der Überzuckerung
Umgekehrt kann es bei körperlicher Aktivität im maximalen Leistungsbereich wie bei Kraftsportarten und Spielsportarten manchmal sogar zu einem kurzfristigen Blutzuckeranstieg kommen. Dafür verantwortlich sind Stresshormone, die als Gegenspieler des Insulins den Blutzucker rasch ansteigen lassen, indem sie die Leber zu einem verstärkten Ausstoss von Zucker anregen.
Insulinbedürftige Diabetiker müssen deshalb bei der Ausübung solcher Sportarten häufig ihre Insulindosis erhöhen. Jeder Körper reagiert jedoch verschieden stark auf körperliche Belastung. Bei der Therapieoptimierung ist deshalb ein schrittweises Herantasten durch Veränderung jeweils nur eines Faktors wie beispielsweise Insulinmenge, Ernährung oder Dauer und Intensität der sportlichen Tätigkeit wichtig. Es braucht immer wieder kleine «Studien» mit sich selber, um den Effekt einer Veränderung auch zu überprüfen.
Erst wenn ein Diabetiker individuell genügend Erfahrungswerte darüber gesammelt hat, wie sein Körper auf die Ausübung der jeweiligen Sportart reagiert, kann er diese auch gefahrlos betreiben. Grundsätzlich soll ein insulinbedürftiger Diabetiker jedoch diejenige Sportart ausüben, die er sich wünscht. Sportarten wie Tauchen oder Bergsteigen erfordern allerdings spezielle Ausbildung und Disziplin, da eine Entgleisung der Blutzuckerwerte fatale Folgen haben kann.
Aus physiologischer Sicht sind Sportarten mit kurzem Einsatz (Sprint, kurze Schwimmstrecken etc.) sowie Kraftsportarten auf den ersten Blick bezüglich der nötigen Therapiemodifikationen etwas einfacher. Allerdings wird bei diesen Sportarten durchaus auch ein Ausdauertraining absolviert – verbunden mit den entsprechend nötigen länger wirksamen Therapieanpassungen.