Zucker steckt überall drin – in Frühstücksflocken, Tiefkühlpizzas, Fertigsalatsaucen. Doch wie viel Zucker aus solchen verarbeiteten Lebensmitteln verträgt sich noch mit einer gesunden Ernährung?
Die Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautete bisher: An den täglich konsumierten Kalorien soll der Zucker aus verarbeiteten Lebensmitteln nicht mehr als 10 Prozent ausmachen. Im Entwurf für ihre künftige Zuckerstrategie verschärft die WHO nun aber den Ton: Zwar behält sie die 10-Prozent-Empfehlung bei, um realistisch zu bleiben, wie Francesco Branca von der WHO kürzlich sagte. Zugleich soll künftig aber ein neues Idealziel von nur noch 5 Prozent Zucker am täglichen Kalorienkonsum gelten.
Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander
Um den neuen 5-Prozent-Richtwert einzuhalten, darf eine erwachsene Person im Schnitt 25 Gramm oder 6 Teelöffel Zucker aus verarbeiteten Lebensmitteln konsumieren – halb so viel wie beim bisherigen Richtwert. In beiden Fällen gilt: Die Maximalmengen sind schnell erreicht, sind doch viele Lebensmittel heutzutage wahre Zuckerbomben. Drei Beispiele:
- In einem Esslöffel Ketchup steckt ein Teelöffel Zucker.
- Eine Fertigfleischsauce enthält fast zwei Teelöffel Zucker.
- Eine Dose süsses Mineralwasser enthält bis zu 40 Gramm bzw. zehn Teelöffel Zucker.
Diese hochkonzentrierte süsse Beigabe ist für den Körper nicht nur völlig überflüssig, sondern eine Last. Zucker fördert nämlich direkt das Übergewicht. Das zeigt eine der Studien, auf welche die WHO sich stützt. Diese Metastudie, kürzlich im «British Medical Journal» erschienen, fasst alle publizierten Studien zum Einfluss von Zucker aufs Körpergewicht zusammen.
«Je mehr Zucker jemand isst, desto mehr Gewicht legt er zu; je stärker er den Zuckerkonsum reduziert, desto mehr nimmt er ab», sagt Studien-Co-Autor Jim Mann von der neuseeländischen Universität Otago gegenüber Radio SRF. Dieser einfache Zusammenhang sei heute vielfach belegt. Laut Mann belegen auch immer mehr wissenschaftliche Studien, dass zu viel Zucker in der Ernährung unter anderem Diabetes, Karies und Herzerkrankungen fördert.
Intransparenz auf Verpackungen
Die WHO will ihren Entwurf in den nächsten Monaten bereinigen und hofft, mit den verschärften Richtlinien die Staaten künftig zu griffigen Massnahmen gegen den übermässigen Zuckerkonsum zu bewegen. Ob dies gelingt, ist offen.
Eine solch griffige Massnahme wäre zum Beispiel die Bewertung des Gehalts an Zucker und anderer gesundheitsrelevanter Nährstoffe mit Ampel-Kennzeichnung – rot, orange, grün – auf den Lebensmittelverpackungen. In der EU kam die Ampelkennzeichnung bisher aber nicht durch. Auch in der Schweiz sei eine vereinfachte Deklaration auf Verpackungen nicht in Sicht, kritisiert Sara Stalder von der Stiftung Konsumentenschutz. «Die Lebensmittelhersteller können den wahren Zuckergehalt kaschieren, indem sie auf der Verpackung die Spezialnamen für die zahlreichen Zuckerarten verwenden. Statt einfach ‹Zucker› steht dort Fruktose, Glukose, Saccharose etc.»
Einst mehr Fett, heute mehr Zucker
Die Konsumentinnen und Konsumenten werden auch in anderer Hinsicht verwirrt: Gerade scheinbar besonders gesunde Produkte strotzen nämlich zuweilen vor Zucker, sagt Ernährungsforscher Jim Mann. So etwa enthielten diverse Joghurts heute zwar weniger Fett als früher, dafür aber umso mehr Zucker. Auch viele Müsliriegel seien heute weniger fetthaltig, dafür umso reicher an Zucker: «Auf der Verpackung sieht man Früchte und Getreide, doch tatsächlich sind viele dieser Riegel heute vor allem reich an Kalorien.»
Schweizer lieben es süss
Wie stark der Zuckergehalt in Lebensmitteln in den letzten Jahren zugenommen hat, kann die WHO nicht sagen, da es keine zuverlässigen länderübergreifenden Statistiken gibt. In der Tendenz gehört die Schweiz aber zu den Ländern mit hohem Zuckerkonsum. Der tägliche Konsum dürfte nahezu doppelt so hoch liegen wie die 10-Prozent-Richtlinie der WHO und nahezu viermal so hoch wie das strengere 5-Prozent-Idealziel vorgibt.
Auch in Sachen Übergewicht ist die Schweiz heute kein Musterland: Fast jeder zweite Erwachsene und jedes fünfte Kind bringt zu viele Kilos auf die Waage.