«Der menschliche Stuhl ist absolut faszinierend, das kann ich Ihnen sagen.» Adrian Eglis Augen leuchten, wenn man ihn auf sein momentan liebstes wissenschaftliches Thema anspricht. Der medizinische Mikrobiologe hält eine kleine Probenbox in der Hand, darin befindet sich gut ein Dutzend kleiner Röhrchen. Jedes davon enthält eine Probe von Kot:
«Das sind Proben von gesunden Spendern, dank derer wir herausfinden möchten, wie das Mikrobiom optimal gelagert wird.»
Bei genau minus 80 Grad Celsius lagern bereits rund 1000 Proben in einem Gefrierschrank im Keller des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich. Schon bald werden weitere 1000 eintreffen, aus Laos, Äthiopien und Puerto Rico. Doch auch das wird erst der Anfang sein. Denn in gut zehn Jahren, so das Ziel eines etwa 40-köpfigen internationalen Forschungsteams unter der Gesamtleitung der US-Mikrobiologin Gloria Dominguez-Bello, sollen womöglich Millionen Kot-Proben in einem Hightech-Tresor, dem sogenannten Microbiota Vault, aufbewahrt werden.
Bedrohte Vielfalt im Darm
Seit rund zehn Jahren steht das menschliche Mikrobiom im Fokus medizinischer Forschung, die sich davon neuartige Therapien im Kampf gegen schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs, Adipositas oder Diabetes erhofft. Generell scheint zu gelten: je grösser die Vielfalt an Mikroorganismen im Darm ist, desto besser für den Menschen.
Wir leben in einer sehr westlichen Umgebung, mit viel Stress und einer nicht idealen Ernährung.
Doch diese Vielfalt sei bedroht, sagt Adrian Egli, vor allem in der industrialisierten Gesellschaft. «Wir leben in einer sehr westlichen Umgebung, mit viel Stress und einer nicht idealen Ernährung. Das führt dazu, dass sich die Bakterien in uns ebenfalls ungesund ernähren.» Ein weiterer entscheidender negativer Aspekt dabei sei der Einsatz von Antibiotika, der zum regelrechten Aussterben von Bakterien führen könne.
Mehr als doppelt so grosse Vielfalt
Besonders wertvoll für künftige Forschung könnte das Mikrobiom von Menschen sein, die heute noch weitgehend fernab der industrialisierten Welt leben. Das bestätigt Pascale Vonaesch, Mikrobiologin an der Universität Lausanne, die wie Adrian Egli ebenfalls in führender Position am Projekt beteiligt ist: «Man hat gesehen, dass sie andere Bakterien haben. Bakterien, die bei uns verloren gegangen sind.» Zudem haben diese Menschen weniger von jenen Bakterien, die oft zu Krankheiten führen.
Studien US-amerikanischer KollegInnen haben gezeigt, dass zum Beispiel Mitglieder einer venezolanischen Yanomami-Gesellschaft über eine mehr als doppelt so grosse Artenvielfalt an Bakterien, Pilzen und Viren im Darm verfügen als gesunde US-Amerikaner. Die Mikrobiom-Forschenden wollen nun diese Vielfalt für kommende Generationen bewahren.
Adrian Egli ist sich sicher, dass es noch so vieles zu entdecken gibt: «Wir wissen noch nicht genau, welches Bakterium welche Rolle spielt, damit wir gesund sind oder eben krank werden. Wenn diese Bakterien aber aussterben, können wir sie auch nicht mehr einsetzen, um uns Gutes zu tun.»
Lagerung in altem Militärbunker?
Deshalb setzt sich der Mikrobiologe stark für deren Erforschung und Erhalt ein. Bei der Suche nach einem geeigneten Standort für ihren Mikrobiom-Tresor sind die Forschenden bereits 2021 fündig geworden: Ein ausgedienter Bunker der Schweizer Armee könnte der ideale Standort für den Mikrobiom-Tresor sein, um die bedeutende Darmvielfalt für die Zukunft doch noch zu erhalten.