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Hoffnungsträger Mikrobiom – gesunder Darm, gesunder Mensch?
Aus Puls vom 09.01.2023.
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Hype ums Mikrobiom Gesunder Darm – Kann ich etwas dafür tun?

Forschende setzen grosse Hoffnung ins Mikrobiom. Ein gesunder Darm soll den Zivilisationskrankheiten von Diabetes bis zur Depression entgegenwirken. Doch was weiss man heute über die Auswirkungen eines gesunden Darms? Und können wir die Darmflora überhaupt nachhaltig beeinflussen?

Gabriela und Daniel Fritsch kochen für ihr Leben gerne. Es ist ein grosses Hobby der beiden 50-Jährigen. Sie kocht zweimal pro Tag frisch und benutzt das Gemüse aus dem eigenen Garten oder kauft saisonal ein. Ihm hilft es, den Kopf freizubekommen: «Ich sitze viel und muss mit dem Kopf arbeiten. Kochen ist ein phänomenaler Ausgleich.» 

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«Wenn es fein ist, schöpfe ich auch mal einen Löffel mehr»
Aus Puls vom 09.01.2023.
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Aber auch wenn, die beiden sich gesund ernähren, haben sie das Gefühl, noch mehr für ihre Gesundheit tun zu wollen. Während Daniel Fritsch ein Weinliebhaber ist, mag Gabriela Fritsch sehr gerne Süsses. «Wir essen halt gerne», ergänzt sie lachend. 

Alleskönner Mikrobiom 

Über Freunde hören sie vom «Mikrobiom», den Bakterien in und auf uns. Eine kurze Recherche zeigt: Der Begriff ist in aller Munde. Die beiden lesen, dass Bakterienstämme in unserem Darm unsere Gesundheit positiv beeinflussen und mittels Ernährung aufgewertet werden können.

«Ich erhoffe mir eine bessere Verdauung», meint Daniel Fritsch. Und Gabriela Fritsch fügt hinzu: «Man liest ja auch, dass das Immunsystem profitiert von einem vielseitigen Mikrobiom. Ausserdem hoffe ich, ein bisschen abzunehmen.» 

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Was ist das Mikrobiom überhaupt?
Aus Puls vom 09.01.2023.
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Tatsächlich wird im Moment viel vom Mikrobiom erwartet: Dass es nicht nur die Verdauung beeinflusst, sondern auch Krankheiten. Allerdings steht hier die Forschung noch ganz am Anfang.

Unbestritten ist unter anderem, dass ein Mikrobiom mit vielen verschiedenen Bakterienstämmen für eine bessere Verdauung sorgt. Aber kann man durch Ernährungsumstellung ein besseres Mikrobiom herbeiführen? Und auch, wenn man sich eigentlich schon gesund ernährt? Das wollen Gabriela und Daniel Fritsch ausprobieren.

Mikrobiom: hohe Erwartungen, doch erst eine konkrete Anwendung

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Das Mikrobiom soll nicht nur diverse entzündliche Darmerkrankungen, sondern auch Depression, Parkinson, Übergewicht, Diabetes und zahlreiche andere Krankheitsbilder beeinflussen. Tatsächlich weisen Hunderte von Studien auf mögliche Zusammenhänge hin.

Allerdings sind das fast ausschliesslich beobachtende Studien. Zum Beispiel scheint aufgrund von Beobachtungen klar, dass Übergewichtige ein anderes Mikrobiom aufweisen als Normalgewichtige. Was aber die Ursache dafür ist, und wie man das behandeln könnte, ist unklar. Auch die Funktionen der einzelnen Bakterien sind grossteils unklar. Respektive man weiss, dass die gleichen Bakterien in unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Funktionen einnehmen können. Es ist darum auch schwierig, konkrete Medikamente aus Bakterien herzustellen. 

Momentan gibt es erst eine konkrete Anwendung mit Bakterien: Die Stuhltransplantation bei der durch das Bakterium Clostridium difficile verursachten Darmentzündung. Die Erfolgsquoten liegen über 90 Prozent. Zurzeit laufen mehrere 100 Studien, in denen weitere Anwendungen der Stuhltransplantation erforscht werden. Unter anderem testet das Universitätsspital Zürich Stuhltransplantation zur Unterstützung von Krebstherapien. In den USA wurde vor Kurzem ein erstes Medikament mit einem Bakterienmix zugelassen, das anstelle von Stuhltransplantationen eingesetzt wird. Für spezifische Erkrankungen dürften in den nächsten Jahren weitere Bakterien-Medikamente folgen. Wohin die Reise führt, wie viele der hohen Erwartungen dereinst erfüllt werden, ist noch völlig offen. 

Jelina Linder ist selbständige Ernährungsberaterin und arbeitet zudem für das Unispital Zürich, welches eine Sprechstunde für das Thema Mikrobiome anbietet. «Das Mikrobiom verändert sich jeden Tag, alle 24 Stunden hat es wieder eine andere Zusammensetzung. Und wenn man es wirklich nachhaltig verbessern möchte, dann muss man auch langfristig seine Ernährung verändern. Eine Woche lang die Ernährung umzustellen, das reicht nicht, um den Fingerabdruck vom Mikrobiom langfristig zu verändern.»

Wichtig zu wissen sei zudem, dass das Mikrobiom vor allem in den ersten zwei bis drei Jahren gebildet wird. Dann habe man den grössten Einfluss darauf. Heisst: Bei den Kindern kann man den Fingerabdruck des Mikrobioms noch am meisten beeinflussen.  

Besser vegetarische als fleischlastige Ernährung 

Ihr Tipp für eine Mikrobiom-freundliche Ernährung: Am wichtigsten sind möglichst viele verschiedene pflanzliche Lebensmittel mit zahlreichen Ballaststoffen. «Wir wissen, dass Vegetarierinnen und Vegetarier ein vielseitigeres Mikrobiom haben als Menschen, die sich häufig von tierischen Produkten ernähren», erklärt Jelina Linder.

«Von dort kommt auch die Hypothese, dass viele verschiedene Gemüse, Früchte und Getreide gut sind fürs Mikrobiom. Damit isst man mehr Nahrungsfasern und Inhaltsstoffe, die für das Mikrobiom sehr wichtig sind.» 

Ernährung ähnelt jener vor 150 Jahren

Besonders gut sind auch Produkte, die lebendige Bakterien enthalten – wie zum Beispiel Sauerkraut. «Das ergibt laut Studien die besten Ergebnisse», so Linder. Zu beachten sind auch Lebensmittel, die den Bakterien als Futter dienen, wie zum Beispiel Knoblauch. 

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Mit der Ernährung füttern man auch seine Bakterien
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Daniel Fritsch erinnert diese Art der Ernährung an seine Grosseltern: «Diese Art der Ernährung ähnelt jener vor 150 Jahren. Es sind viele Lebensmittel dabei, die damals oft auf den Tisch kamen oder auch wie man sie damals verarbeitet und haltbar gemacht hat. Diese Art der Ernährung erinnert mich stark an eine ursprüngliche Küche, wie sie auch meine Grosseltern gepflegt haben.»

Ernährungstipps: Das mag Ihr Mikrobiom

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Wer Gutes tun will für sein Mikrobiom, sollte auf Folgendes achten:

Das Mikrobiom mag eine pflanzenbasierte Ernährung. Vollkorngetreide, Früchte und Gemüse, aber auch Nüsse, Samen und Kerne fördern die guten Bakterien

Vielseitige Abwechslung ist gefragt. Je vielseitiger und bunter, desto besser. Auch Kräuter, Kerne und die vielen verschiedenen Getreidesorten wie Gerste, Roggen und Dinkel tragen zur Vielseitigkeit bei. 

Probiotische Lebensmittel helfen. Fermentierte Lebensmittel wie Joghurt, Kefir, Tempeh, Sauerkraut oder Kimchi sind mit Bakterienstämmen versetzt. Mit diesen Lebensmitteln nimmt man also gute Bakterienstämme zu sich. 

Präbiotische Nahrungsmittel assistieren. Dies sind Lebensmittel, die den Bakterienstämme als Futter dienen. Besonders beliebt sind Zwiebeln, Knoblauch und alle Arten von Hülsenfrüchten. Stärkebeilagen wie Kartoffeln, Reis oder Teigwaren mögen sie lieber abgekühlt statt heiss. 

Diese Produkte schaden dem Mikrobiom, wenn sie zu viel konsumiert werden: 

  • Convenience Food 
  • Verarbeitete Wurst und Fleischwaren 
  • Zucker 
  • Weissmehl 
  • Alkohol 
  • Zigaretten 

Auch Stress und Antibiotika bekommen dem Mikrobiom nicht gut. 

«Gar nicht gut für das Mikrobiom ist eine einseitige Ernährung», sagt Linder. Auch eine fleischlastige Ernährung und Convenience-Food seien nicht zu empfehlen. Wenig überraschend wirken sich auch Nikotin, zu viel Alkohol, Stress und Antibiotika negativ auf das Mikrobiom aus. 

Schon vorher vieles richtig gemacht 

Gabriela und Daniel Fritsch wenden Jelina Linders Ratschläge vier Wochen lang konsequent an und verzichten aus eigener Motivation auch vollständig auf Alkohol, Zucker und Weissmehl. «Aus rein therapeutischer Sicht ist es nicht nötig, dass man Weissmehl ganz weglässt», meint Jelina Linder, «sondern dass man sich vielseitig ernährt. Eben auch mal Dinkel oder Roggen ausprobiert oder auch Teigwaren aus Kichererbsen oder Linsen.»

Daniel Fritsch setzt diesen Tipp gerne beim Brotbacken um und verarbeitet statt Weissmehl Vollkorn-, Roggen- und Dinkelmehl. Nach vier Wochen glaubt vor allem Gabriela Fritsch, eine Veränderung zu spüren: «Meine Verdauung ist besser und ich habe sogar dreieinhalb Kilo abgenommen.» Auch Daniel Fritsch empfindet die vielseitigere Ernährung als angenehm: «Die Verdauung und das Wohlbefinden sind besser. Weder Völlegefühl noch Hunger waren jemals da.»

«Wir heilen nicht die Menschheit»

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Legende: Gerhard Rogler SRF

Gerhard Rogler ist Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Universitätsspital Zürich, Mikrobiom-Spezialist und -Forscher. Er ordnet den Hype ums Mikrobiom ein.

SRF Wissen: Sie haben an Ihrer Klinik am Unispital Zürich kürzlich eine Sprechstunde für Mikrobiom eingerichtet. Wer kommt in die Sprechstunde? 

Gerhard Rogler: Wir erhalten sehr viel Anfragen von verunsicherten Patientinnen und Patienten. Die haben von Instituten Stuhlanalysen machen lassen und kommen dann zu uns mit Diagnosen und Ernährungsempfehlungen, die nicht evidenzbasiert und nicht zielführend sind. Wir wollen die übertriebenen Erwartungen der Patienten mit einer seriösen Beratung ins rechte Lot rücken. 

Heisst das, Stuhl- respektive Mikrobiom-Analysen sind nicht seriös? 

Solche Analysen machen nur dann Sinn, wenn man konkret nach einem krankmachenden Bakterium sucht, das nicht in den Darm gehört. Alles andere ist hinausgeworfenes Geld.  

Warum? 

Erstens müsste das ganz kontrolliert gemacht werden. Man müsste standardisierte Ernährungsbedingungen haben, weil sich das Mikrobiom je nach Ernährung kurzfristig verändert. Ausserdem müsste man die Probe sofort auf minus 80 Grad abkühlen oder tieffixieren. Was sie mit der Post verschicken, wenn möglich noch in der Sommerhitze, entspricht schon nach kurzer Zeit nicht mehr dem, was im Darm war.  

Ist denn ihrer Ansicht nach der Hype um das Mikrobiom nicht gerechtfertigt?  

Die Erwartungen der Bevölkerung sind durch die Medien und verschiedene Anbieter zu hoch. Etwas anderes ist die Forschung. Es gibt für wenige klar definierte Krankheitsbilder vielversprechende Ansätze, aber wir heilen nicht die Menschheit. Der Anspruch ist viel zu hoch. 

Das Gespräch führte Daniel Forrer.

Eine Analyse ihrer Stuhlproben vor und nach dem Experiment durch die Universität Bern zeigt allerdings: Viel verändert hat sich bei den Mikrobiomen nicht. Nicht weil die Zeitspanne zu kurz war, sondern weil sich die beiden schon vor dem Experiment ausgewogen ernährt, haben.

«Die Diversität der beiden Mikrobiome war schon vor dem Experiment gut. Das heisst, es sind viele verschiedene Bakterienstämme zu sehen, aber nur wenige Bakterienstämme, von denen man weiss, dass sie zum Beispiel bei Entzündungen des Darms vorkommen», erklärt Andrew Macpherson, Klinikdirektor der Gastroenterologie am Unispital Bern. Entsprechend seien die Veränderungen durch das Experiment auch klein. 

Fast Food und Convenience-Food schadet dem Mikrobiom 

«Das hätte ganz anders ausgesehen, hätten sich Fritschs vor dem Experiment nur von Fast Food ernährt.» Man weiss, dass Menschen, die sich nur von Fast Food und Convenience-Food ernähren, tatsächlich ein verarmtes Mikrobiom haben. Das gilt für ungefähr einen Fünftel der Menschen, ordnet der Mikrobiom-Spezialist und Forscher Gerhard Rogler ein. Bei allen andern scheint das Mikrobiom recht divers und stabil.  

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«Offensichtlich haben wir uns schon gesund ernährt.»
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Auch wenn Fritschs etwas enttäuscht sind vom Ergebnis, so klopfen sie sich am Ende doch auf die Schulter: «Schön, dass sich unsere langjährige Bemühung um eine gesunde Ernährung bereits ausbezahlt hat», meint Gabriela Fritsch. Und fügt lachend hinzu: «Dann kann ich ja ohne schlechtes Gewissen wieder Schokolade essen.» Trotzdem finden beide, dass sie von ihrem Experiment profitiert haben. 

«Ich finde es enorm gut, für die Bewusstseinsschärfung, sich wieder einmal mit der alltäglichen Ernährung auseinanderzusetzen», erklärt Daniela Fritsch. «Es hat mir geholfen, aus dem eigenen Kochtrott herauszukommen. Auch wenn die Veränderung bei uns nicht gross war, sieht man doch, dass es immer etwas bringt.»

Puls, 09.01.2023, 21:05 Uhr

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