Gabriela und Daniel Fritsch kochen für ihr Leben gerne. Es ist ein grosses Hobby der beiden 50-Jährigen. Sie kocht zweimal pro Tag frisch und benutzt das Gemüse aus dem eigenen Garten oder kauft saisonal ein. Ihm hilft es, den Kopf freizubekommen: «Ich sitze viel und muss mit dem Kopf arbeiten. Kochen ist ein phänomenaler Ausgleich.»
Aber auch wenn, die beiden sich gesund ernähren, haben sie das Gefühl, noch mehr für ihre Gesundheit tun zu wollen. Während Daniel Fritsch ein Weinliebhaber ist, mag Gabriela Fritsch sehr gerne Süsses. «Wir essen halt gerne», ergänzt sie lachend.
Alleskönner Mikrobiom
Über Freunde hören sie vom «Mikrobiom», den Bakterien in und auf uns. Eine kurze Recherche zeigt: Der Begriff ist in aller Munde. Die beiden lesen, dass Bakterienstämme in unserem Darm unsere Gesundheit positiv beeinflussen und mittels Ernährung aufgewertet werden können.
«Ich erhoffe mir eine bessere Verdauung», meint Daniel Fritsch. Und Gabriela Fritsch fügt hinzu: «Man liest ja auch, dass das Immunsystem profitiert von einem vielseitigen Mikrobiom. Ausserdem hoffe ich, ein bisschen abzunehmen.»
Tatsächlich wird im Moment viel vom Mikrobiom erwartet: Dass es nicht nur die Verdauung beeinflusst, sondern auch Krankheiten. Allerdings steht hier die Forschung noch ganz am Anfang.
Unbestritten ist unter anderem, dass ein Mikrobiom mit vielen verschiedenen Bakterienstämmen für eine bessere Verdauung sorgt. Aber kann man durch Ernährungsumstellung ein besseres Mikrobiom herbeiführen? Und auch, wenn man sich eigentlich schon gesund ernährt? Das wollen Gabriela und Daniel Fritsch ausprobieren.
Jelina Linder ist selbständige Ernährungsberaterin und arbeitet zudem für das Unispital Zürich, welches eine Sprechstunde für das Thema Mikrobiome anbietet. «Das Mikrobiom verändert sich jeden Tag, alle 24 Stunden hat es wieder eine andere Zusammensetzung. Und wenn man es wirklich nachhaltig verbessern möchte, dann muss man auch langfristig seine Ernährung verändern. Eine Woche lang die Ernährung umzustellen, das reicht nicht, um den Fingerabdruck vom Mikrobiom langfristig zu verändern.»
Wichtig zu wissen sei zudem, dass das Mikrobiom vor allem in den ersten zwei bis drei Jahren gebildet wird. Dann habe man den grössten Einfluss darauf. Heisst: Bei den Kindern kann man den Fingerabdruck des Mikrobioms noch am meisten beeinflussen.
Besser vegetarische als fleischlastige Ernährung
Ihr Tipp für eine Mikrobiom-freundliche Ernährung: Am wichtigsten sind möglichst viele verschiedene pflanzliche Lebensmittel mit zahlreichen Ballaststoffen. «Wir wissen, dass Vegetarierinnen und Vegetarier ein vielseitigeres Mikrobiom haben als Menschen, die sich häufig von tierischen Produkten ernähren», erklärt Jelina Linder.
«Von dort kommt auch die Hypothese, dass viele verschiedene Gemüse, Früchte und Getreide gut sind fürs Mikrobiom. Damit isst man mehr Nahrungsfasern und Inhaltsstoffe, die für das Mikrobiom sehr wichtig sind.»
Ernährung ähnelt jener vor 150 Jahren
Besonders gut sind auch Produkte, die lebendige Bakterien enthalten – wie zum Beispiel Sauerkraut. «Das ergibt laut Studien die besten Ergebnisse», so Linder. Zu beachten sind auch Lebensmittel, die den Bakterien als Futter dienen, wie zum Beispiel Knoblauch.
Daniel Fritsch erinnert diese Art der Ernährung an seine Grosseltern: «Diese Art der Ernährung ähnelt jener vor 150 Jahren. Es sind viele Lebensmittel dabei, die damals oft auf den Tisch kamen oder auch wie man sie damals verarbeitet und haltbar gemacht hat. Diese Art der Ernährung erinnert mich stark an eine ursprüngliche Küche, wie sie auch meine Grosseltern gepflegt haben.»
«Gar nicht gut für das Mikrobiom ist eine einseitige Ernährung», sagt Linder. Auch eine fleischlastige Ernährung und Convenience-Food seien nicht zu empfehlen. Wenig überraschend wirken sich auch Nikotin, zu viel Alkohol, Stress und Antibiotika negativ auf das Mikrobiom aus.
Schon vorher vieles richtig gemacht
Gabriela und Daniel Fritsch wenden Jelina Linders Ratschläge vier Wochen lang konsequent an und verzichten aus eigener Motivation auch vollständig auf Alkohol, Zucker und Weissmehl. «Aus rein therapeutischer Sicht ist es nicht nötig, dass man Weissmehl ganz weglässt», meint Jelina Linder, «sondern dass man sich vielseitig ernährt. Eben auch mal Dinkel oder Roggen ausprobiert oder auch Teigwaren aus Kichererbsen oder Linsen.»
Daniel Fritsch setzt diesen Tipp gerne beim Brotbacken um und verarbeitet statt Weissmehl Vollkorn-, Roggen- und Dinkelmehl. Nach vier Wochen glaubt vor allem Gabriela Fritsch, eine Veränderung zu spüren: «Meine Verdauung ist besser und ich habe sogar dreieinhalb Kilo abgenommen.» Auch Daniel Fritsch empfindet die vielseitigere Ernährung als angenehm: «Die Verdauung und das Wohlbefinden sind besser. Weder Völlegefühl noch Hunger waren jemals da.»
Eine Analyse ihrer Stuhlproben vor und nach dem Experiment durch die Universität Bern zeigt allerdings: Viel verändert hat sich bei den Mikrobiomen nicht. Nicht weil die Zeitspanne zu kurz war, sondern weil sich die beiden schon vor dem Experiment ausgewogen ernährt, haben.
«Die Diversität der beiden Mikrobiome war schon vor dem Experiment gut. Das heisst, es sind viele verschiedene Bakterienstämme zu sehen, aber nur wenige Bakterienstämme, von denen man weiss, dass sie zum Beispiel bei Entzündungen des Darms vorkommen», erklärt Andrew Macpherson, Klinikdirektor der Gastroenterologie am Unispital Bern. Entsprechend seien die Veränderungen durch das Experiment auch klein.
Fast Food und Convenience-Food schadet dem Mikrobiom
«Das hätte ganz anders ausgesehen, hätten sich Fritschs vor dem Experiment nur von Fast Food ernährt.» Man weiss, dass Menschen, die sich nur von Fast Food und Convenience-Food ernähren, tatsächlich ein verarmtes Mikrobiom haben. Das gilt für ungefähr einen Fünftel der Menschen, ordnet der Mikrobiom-Spezialist und Forscher Gerhard Rogler ein. Bei allen andern scheint das Mikrobiom recht divers und stabil.
Auch wenn Fritschs etwas enttäuscht sind vom Ergebnis, so klopfen sie sich am Ende doch auf die Schulter: «Schön, dass sich unsere langjährige Bemühung um eine gesunde Ernährung bereits ausbezahlt hat», meint Gabriela Fritsch. Und fügt lachend hinzu: «Dann kann ich ja ohne schlechtes Gewissen wieder Schokolade essen.» Trotzdem finden beide, dass sie von ihrem Experiment profitiert haben.
«Ich finde es enorm gut, für die Bewusstseinsschärfung, sich wieder einmal mit der alltäglichen Ernährung auseinanderzusetzen», erklärt Daniela Fritsch. «Es hat mir geholfen, aus dem eigenen Kochtrott herauszukommen. Auch wenn die Veränderung bei uns nicht gross war, sieht man doch, dass es immer etwas bringt.»