Mäuse ohne natürliche Darmbakterien fressen deutlich mehr Zucker und strengen sich für eine süsse Belohnung ordentlich an, zeigt eine im Fachjournal «Current Biology» veröffentlichte Studie.
Die Forschenden beobachteten dies, als sie zwei Gruppen von Mäusen vor die Wahl stellten: entweder Pellets mit einem hohen Zuckergehalt oder normale Getreidepellets fressen. Bei einer Mäuse-Gruppe hatte das Team zuvor alle Darmbakterien mit Antibiotika abgetötet. Die übrigen Tiere besassen ein gesundes Mikrobiom.
Schuften für Süsses
Zwar frassen beide Gruppen insgesamt gleichviel normale Nahrung. Doch Tiere mit gestörtem Mikrobiom naschten 50 Prozent mehr Zuckerpellets als Mäuse mit gesunder Darmflora.
In einem zweiten Versuch zeigte sich, dass die Tiere auch bereit waren, sich für die süsse Belohnung anzustrengen: Für jedes zusätzliche Zuckerpellet mussten sie einmal mehr auf eine Taste drücken. Tiere ohne Mikrobiom legten sich dabei richtig ins Zeug: Manche drückten den Schalter mehr als 50 Mal. Mäuse mit gesunder Bakteriengemeinschaft gaben schon nach wenigen Versuchen auf.
«Die Tiere ohne Bakterien waren also bereit, viel härter für dieses süsse Futter zu arbeiten. Und das ist für mich ein deutlicher Beweis, dass die Tiere eine bewusste Entscheidung getroffen haben», so Sarkis Mazmanian, Mikrobiologe am California Institute of Technology, Caltech, und Co-Autor der Studie.
Milchsäurebakterien dämpfen die Naschsucht
Um herauszufinden, welche Bakterien dieses sucht ähnliche Verhalten steuern, verabreichten die Forschenden den Tieren im nächsten Schritt einzelne Mikrobenstämme, die natürlicherweise im Darm vorkommen. Dabei zeigte sich, dass bestimmte Milchsäurebakterien die Naschsucht der Tiere bremsten.
Zwar ist bislang unklar, wie diese Mikroben im Darm den Heisshunger kontrollieren. Doch Sarkis Mazmanian vermutet, dass sie Neurotransmitter wie Dopamin produzieren, die auf das Gehirn einwirken und so den Japp der Tiere auf Süsses kontrollieren.
Wenn diese Mikroben bei uns dieselbe Wirkung haben, könnten wir damit ‹Fressattacken› behandeln.
Ob diese Milchsäurebakterien auch Menschen vom Naschen abhalten können, muss sich zwar erst noch zeigen. Doch viele Bakterienstämme rufen in Mäusen und Menschen erstaunlich ähnliche Effekte hervor: Mäuse, denen Forschende die Darmbakterien fettleibiger Menschen transplantierten, wurden ebenfalls adipös.
Und die Darmbakterien durchtrainierter Athleten liessen Mäuse im Laufrad länger durchhalten. Sarkis Mazmanian ist deshalb zuversichtlich, dass eine Bakterienkur auch Menschen helfen kann, die unkontrolliert süsse oder fetthaltige Lebensmittel essen.
Mikroben gegen binge-eating
«Wenn diese Mikroben bei uns dieselbe Wirkung haben, könnten wir damit ‹Fressattacken› behandeln. Es hilft wohl nicht bei Menschen mit den falschen Ernährungsgewohnheiten, die zu Gewichtszunahme oder Fettleibigkeit und Diabetes führen. Aber bei ‹binge-eating› Verhalten könnte es funktionieren», so Mazmanian.
Dass das Darmmikrobiom bei Menschen mit bestimmten Essstörungen verändert ist, haben Studien bereits gezeigt. Vielleicht brauchen die Betroffenen also keine Unmengen Schokolade, sondern eine Bakterienkur, die das Gleichgewicht im Darm wieder herstellt.