«Wir haben viel zu viele Regeln in unserem Kopf, was wir essen dürfen, wann wir essen dürfen und wie viel wir essen dürfen», sagt Cornelia Fiechtl, klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin mit Schwerpunkt Essverhalten und Körpergefühl. «Je mehr Regeln, umso weniger hören wir auf unseren Körper. Dabei sagt dieser vielleicht, es ist halb zwölf, ich habe Hunger, ich will essen.»
Eine halbe Stunde vor dem Mittagessen essen geht in Ordnung
Klar können wir um 11:30 Uhr essen, wenn wir ein richtiges Hungergefühl empfinden. Das allein ist jedoch nicht intuitives Essen, sagt die Gesundheitspsychologin. Es ist ein ganzheitliches Konzept.
Je mehr Regeln, umso weniger hören wir auf unseren Körper.
Dazu gehört: Ich esse, wann ich will, was ich will und wie viel ich will. Es geht darum, den inneren Detektiv, der ständig ermittelt, ob wir nun gesunde oder ungesunde Lebensmittel essen und zeitgleich die Kalorien zählt, zum Schweigen zu bringen.
Wo bleibt der Hunger?
In erster Linie müssten wir lernen, die Signale unseres Körpers wieder wahrzunehmen, sagt Fiechtl. Und entsprechend den Speiseplan anpassen. «Wenn ich schon um 11:30 Uhr Hunger habe, so esse ich dann, auch wenn die Essenszeit erst um 12 Uhr ist.»
Würde ich nämlich noch eine halbe Stunde warten, laufe ich Gefahr, dass ich das Mittagessen mit Heisshunger in einem immensen Tempo herunterschlingen. «Der Genuss bleibt auf der Strecke und wir essen unter Umständen viel zu viel», weiss die Expertin aus Erfahrung.
Heisshunger und Essdrang ist nicht das gleiche
Heisshunger bedeutet, dass der Körper wirklich Nahrung und Nährstoffe braucht. Wenn wir also mehr als nur Hunger haben, richtigen Kohldampf eben. Im Gegensatz dazu steht der Essdrang. Wer eine lange Diätkarriere hinter sich hat, kennt das. Vor lauter Verzichten wird der Drang plötzlich so stark, dass die ganze Tafel Schokolade verputzt wird. Auch unter Stress leiden einige unter Essdrang und futtern alles Mögliche aufs Mal.
Satt oder voll?
Wir haben nicht nur verlernt, Hunger zu erkennen, wir wissen manchmal auch nicht, wann wir satt sind. Denn für einige ist satt sein, zugleich voll sein. «Ist man satt, hat der Körper alle Nährstoffe bekommen, die er braucht. Das hat nichts mit der Grösse einer Portion zu tun. Vielmehr fühlt sich der Bauch in Balance.» Ein angenehmes wohliges Gefühl, die Hose zwickt nicht. Man bleibt aktiv, wohingegen man beim Völlegefühl von einer Müdigkeit und Trägheit übermannt wird.
Schokolade ist erlaubt
Wichtig beim intuitiven Essen ist, alle Speisen und Lebensmittel sind erlaubt – auch Schokolade. Bei vielen ist Schokolade negativ besetzt und wird mit vielen Kalorien assoziiert und gilt deshalb als verbotenes Lebensmittel.
«Je stärker wir auf Süssigkeiten verzichten, umso grösser ist das Verlangen danach. Entsprechend sind wir dann nicht mehr zu bremsen, wenn wir Schokolade essen und vernaschen prompt eine ganze Tafel.» Es geht darum, einen neuen Umgang mit Essen zu lernen. Das kann gelingen, wenn beispielsweise Schokolade nicht mehr zu den verbotenen Lebensmitteln zählt.
Intuitiv essen
Irgendwann bekommt man dann einen Kaffee mit einem Praliné serviert und merkt, dass man gar keine Lust auf Schokolade hat. Das ist intuitives Essen, wenn man das Schokolädchen für später einpackt, statt es gedankenlos ohne Appetit runterzuschlingen.
Intuitives Essen, bei dem man auf den Körper hört und alle Sinne am Essen beteiligt, führt auch nicht zu Gewichtsschwankungen. Es erlöst uns vom Diätstress und Essen wird etwas Leichtes. Und: Man schliesst Frieden mit dem eigenen Körper.