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Stop Food Waste – vieles ist haltbarer als man denkt
Aus Puls vom 28.02.2022.
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Haltbarkeit von Lebensmitteln Stop Food Waste – vieles ist haltbarer als man denkt

Zu viele Lebensmittel landen im Müll. Wissen über Datierung und Haltbarkeit kann Lebensmittel-Abfälle verringern.

Mandarinen, verpackter Aufschnitt, Brote: Eine riesige Ladung mehr oder weniger frischer Lebensmittel purzelt vom Lastwagen in eine grosse Mulde. Es sind Abfälle aus dem Detailhandel. Nicht verkaufte Lebensmittel, die am Ende überzählig waren. In der grössten Biogas-Anlage in der Schweiz, in Nesselnbach, werden sie – immerhin – noch zu Biogas und Strom verarbeitet.

Kein freudiger Anblick für den Umweltwissenschaftler und Foodwaste-Experten Claudio Beretta: «Es macht mich traurig, dass so viele gute Lebensmittel einfach weggeschmissen werden», sagt Beretta. «Die meisten dieser Nahrungsmittel wären noch geniessbar gewesen!»

Der Wissenschaftler hat es untersucht: Vermeidbare Lebensmittelabfälle fallen in der ganzen Lebensmittelkette an: Landwirtschaft, Industrie, Detailhandel, Gastronomie – bis hin zum Privathaushalt, und dort besonders. Pro Kopf und Haushalt werden jährlich bis zu 90 Kilogramm Lebensmittel entsorgt. Die meisten Esswaren landen im Müll, aber auch im Abwasser oder im Heimkompost.

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Food-Waste-Aktivist Claudio Beretta über die grosse Menge Lebensmittel, die im Müll landet
Aus Puls vom 28.02.2022.
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Mit Bedacht zugreifen

Claudio Beretta erklärt: «Es beginnt schon beim Einkaufen.» Wer unvorbereitet in den Supermarkt geht, kauft wahllos und oft zu viel ein, greift bei Aktionen übertrieben zu und kocht zuhause dann gleich das eben Eingekaufte. Mit Hunger kocht man zu viel oder man konsumiert etwa nur das frische Brot. Das alte bleibt liegen. Das Resultat: Ware vergammelt und wird am Ende entsorgt.

Aber auch übertriebenes Rüsten, ein unübersichtlich eingeräumter Kühlschrank oder übertrieben volle Kochtöpfe fördern die Verschwendung im Privathaushalt.

Praktische Tipps in der Küche

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Kann ich Schimmel auf Früchten wegschneiden?

Schimmlige Früchte und Gemüse sollten nicht mehr verzehrt werden. Schimmel kann bei diesen Lebensmitteln rasch wachsen und potentiell potenziell gesundheitsschädliche Stoffe bilden.

Kann Einfrieren unter -18°C Keime abtöten?

Durch Einfrieren auf -18°C oder tiefer werden Keime nicht abgetötet, sondern nur in ihrer Vermehrung gehemmt. Nach dem Auftauen vermehren sich die Keime weiter.

Wie lange darf geöffnete Marmelade im Kühlschrank lagern?

Das ist unbedenklich, solange Marmelade weder Verderbserscheinungen aufweist, wie Schimmel oder eine schleimige Oberfläche, noch geruchlich verändert ist.

Ist roher Lachs noch geniessbar, wenn sich die Verpackung wölbt?

Auf der Verpackung ist ein Verbrauchsdatum, das unbedingt zu beachten ist.
Quelle: Auszug aus dem Puls-Chat

Die Krux mit dem Datum

Auch Unwissenheit rund um die Datierung der Produkte trägt dazu bei, unnötig Lebensmittel wegzuschmeissen. Was abgelaufen ist, gehört in den Müll – dieser Irrtum führt zusätzlich zu Nahrungsmittelverlusten.

Mit gewissen Ausnahmen, wie etwa für Essig, Salz, oder festen Zucker, müssen verpackte Nahrungsmittel datiert sein. Dazu sind die Hersteller verpflichtet. Das Knifflige dabei: Es gibt zwei Datierungsarten. Je nachdem, wie heikel ein Produkt ist, bekommt es ein Verbrauchs- oder ein Mindesthaltbarkeitsdatum.

Symbolbild Verbrauchsdatum versus Haltbarkeitsdatum
Legende: Nicht allen bewusst: Das Verbrauchsdatum unterscheidet sich vom Mindesthaltbarkeitsdatum. Verderbliche Lebensmittel tragen ein Verbrauchsdatum, sind die Lebensmittel über das Datum hinaus geniessbar, tragen sie ein Haltbarkeitsdatum. SRF

Für leicht verderbliche Produkte gilt ein striktes «Verbrauchsdatum». Nur bis zu diesem Tag garantiert der Hersteller einen sicheren Verzehr.

Ganz anders Produkte der Kategorie «Mindesthaltbarkeit». Hier gilt: Sie haben bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum ihre beste Qualität, doch: Geniessbar sind sie nachher immer noch.

«Leider kennen viele Konsumentinnen und Konsumenten den Unterschied zwischen den beiden Datierungsarten nicht», sagt Corinne Gantenbein-Demarchi. So landen viele Lebensmittel über dem Datum unnötig im Müll.

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Lebensmittelmikrobiologin Corinne Gantenbein-Demarchi: «Der Konsument ist sich gar nicht bewusst, dass es zwei verschiedene Datierungsarten gibt.»
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Kritik an den Hersteller

Im Auftrag des Bundes nahm eine Fachgruppe der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften die Datierungspraxis der Hersteller unter die Lupe. Die Schlussberichte mit Handlungsempfehlungen von 2021 merken in Richtung der Produzenten kritisch an: «Die Datierung von Lebensmitteln ist ein relevanter Faktor in der Ursachenkette von Lebensmittelverlusten.» Der konkrete Vorwurf: Hersteller würden dazu neigen, Haltbarkeitsdaten früher als nötig anzugeben, um finanzielle Einbussen und Imageverluste zu minimieren.

Andreas Kuster, Inhaber einer kleinen Basler Leckerly-Manufaktur, bestätigt zwar die Problematik. Klar wäre sein Trockengebäck jahrelang geniessbar, doch: «Es gibt Kunden, die uns Produkte zurückschicken, weil sie eben nicht genau die Konsistenz haben wie vielleicht nach 30 Tagen.» Der Produzent gibt den Ball also an die Kundschaft mit ihren Ansprüchen zurück.

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Leckerly-Fabrikant Andreas Kuster sieht das Problem bei den Kunden.
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Empfehlungen der Wissenschaftler

Nicht nur der Kunde, alle Akteure in der Lebensmittelkette könnten dazu beitragen, Lebensmittelverluste zu verringern durch einen anderen Umgang mit der Datierung. Die Fachgruppe der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften hat neue Leitfäden mit Empfehlungen erarbeitet.

Die wirksamsten Punkte der Empfehlungen

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  • Tiefkühlen: Detailhändler und Kundschaft könnten Fleisch noch an ihrem Verbrauchsdatum tiefkühlen. So bleibt es 90 Tage länger konsumierbar. Detailhändler können solche Produkte vermehrt auch Spendenorganisationen weitergeben, es wird weniger entsorgt.
  • Kategorie wechseln: Manche Produkte haben die «falsche» Datierung: Hersteller könnten gewisse Produkte von der Kategorie mit striktem Verbrauchsdatum in die flexiblere Kategorie Mindesthaltbarkeit verschieben, zum Beispiel mikrofiltrierte Milch oder Crème Fraîche. Hier sorgen Milchsäurebakterien für eine längere Haltbarkeit und Geniessbarkeit.
  • Mindesthaltbarkeit maximal ausschöpfen: Das sollten Händler, aber auch Konsumentinnen und Konsumenten vermehrt tun.

Produzenten und Detailhändler stehen grundsätzlich hinter den Zielen der neuen Leitfäden. Zum Transfer der Empfehlungen in den Betriebsalltag schreibt die Interessengemeinschaft Detailhandel auf Anfrage: «Die Mitglieder der IG Detailhandel (Coop, Denner, Migros) unterstützen Massnahmen zur Reduktion von Food Waste […] Die entsprechenden konkreten Umsetzungsfragen bzgl. den neu erarbeiteten Richtlinien müssen allerdings noch vertieft analysiert werden.»

Mindesthaltbarkeit: Maximal ausschöpfen

Die wichtigste Erkenntnis: Das grösste Potenzial zur Verringerung von Lebensmittelverschwendung liegt darin, die Mindesthaltbarkeit maximal auszuschöpfen. Produkte mit Mindesthaltbarkeit verderben ja nicht am Tag X; im Gegenteil. Viele dieser Produkte halten weit übers Datum hinaus, wie die ZHAW-Untersuchung zeigt.

Rohe Eier sind demnach noch sechs Tage über ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum geniessbar, Käse noch 30 Tage, Konserven-Gemüse noch vier Monate und Teigwaren oder Schokolade sind gar ein Jahr über ihr Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus noch geniessbar. Die maximale Haltbarkeit für verschiedene Produkte ist in einem Flyer übersichtlich dargestellt.

Mindesthaltbarkeit versus Verbrauchsdatum

Schauen, riechen, schmecken: Bei Produkten mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum kann man auch auf die Sinne vertrauen.

Nur bei Produkten mit Verbrauchsdatum ist Vorsicht angebracht. Vor allem Fleisch, Fisch, Geflügel, oder Produkte, die rohe Eier enthalten, sind Nährböden für Mikroorganismen, die mit ihren Giften ungesund werden können. Hat ein Produkt das Verbrauchsdatum erreicht, sollte man es verzehren oder tiefkühlen, falls das möglich ist.

Diese Lebensmittel sollten nach Überschreiten des Verbrauchsdatums wohl oder übel entsorgt werden. Das sei bedauerlich, meint Lebensmittel-Mikrobiologin Corinne Gantenbein, aber: «Die Gesundheit geht immer vor.»

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Corinne Gantenbein-Demarchi: «Bei Zweifel: Die Gesundheit geht immer vor.»
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Puls, 28.02.2022, 21:05 Uhr

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