SRF: Ich fühle mich gesund und habe noch nie gefastet. Würden Sie mir einen Fasten-Versuch empfehlen?
Dr. Eva Lischka: Unbedingt, um das positive Lebensgefühl nach dem Fasten zu verspüren und als kleine Vorübung, falls Sie das Fasten einmal zur Behandlung von Krankheiten brauchen.
Kann jeder fasten oder gibt es Einschränkungen?
Grundsätzlich kann jeder fasten. Unser Stoffwechsel ist in der Lage, als Überlebensstrategie von einer Ernährung von aussen auf Energiegewinnung von innen umzuschalten. Natürlich müssen ausreichend Reserven vorhanden sein. Nicht fasten sollen Untergewichtige, Schwangere und Stillende. Menschen, die Medikamente einnehmen, dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht fasten.
Welche positiven Effekte stellen Sie bei Ihren Patienten durchs Fasten fest?
Durch Abnahme des Bauchumfangs als Mass für das innere Bauchfett sinken Blutdruck, Blutzuckerwerte und Blutfette. Durch die entzündungshemmende Wirkung des Fastens bessern sich Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und sogar Migräne. Der vielleicht wichtigste Effekt ist die Stimmungsaufhellung und Motivation zur Lebensstiländerung.
Die Forschung zeigt zudem, dass eine verminderte Zufuhr von Eiweiss und Zucker Reparatur-Gene aktiviert – dass also der Körper Dinge repariert, die wir Ärzte vielleicht noch gar nicht erkannt, geschweige denn verstanden haben.
Wie lange muss man fasten, um von den positiven Effekten zu profitieren?
Das ist abhängig von der Art und Dauer der Erkrankung und dem Ausmass des Übergewichts. Bei Gelenkserkrankungen zum Beispiel empfahl Otto Buchinger, Begründer des Heilfastens, lange Fastenperioden, damit «das nagende Fastenblut» die stoffwechselträgen Sehnen und Gelenke erreicht, tatsächlich sehen wir aber einen Rückgang der Schmerzen oft schon nach wenigen Tagen.
Ist fasten zum Abnehmen geeignet?
Fasten ist auch zum Abnehmen geeignet, was in Langzeitstudien gezeigt wurde. Dazu sind aber wiederholte Fastenzeiten nötig, aus Erfahrung idealerweise meist im Halbjahresabstand. Ohne Lebensstil-Änderung geht es jedoch nicht. Zum Glück erfolgt diese oft automatisch, da man nach dem Fasten mehr Lust auf Frisches, Salat und Gemüse hat und sich mehr bewegen möchte. All dies führt zu einem gelasseneren und stressresistenteren Alltag.
Viele Ärzte raten vom Fasten als Diät aber ab, da es keinen nachhaltigen Gewichtsverlust garantiere.
Fasten ist keine Diät sondern eine komplett andere Stoffwechselumstellung auf 95 Prozent Fettverbrennung. Ausserdem müssen Tabletten auch täglich eingenommen werden, sind also nicht nachhaltig. Fasten bewirkt strukturelle Veränderungen, zum Beispiel an Rezeptoren im Hirnstoffwechsel was die nachhaltige Stimmungsaufhellung erklärt.
Es gibt viele verschiedene Fasten-Methoden wie zum Beispiel Saftfasten, Basenfasten, Fasten nach Buchinger oder Dinner Cancelling. Sind alle Methoden gut oder was empfehlen Sie?
Es führen viele Wege nach Rom. Neuere Forschung zeigt, dass Esspausen schon nach 16 Stunden positive Stoffwechselwirkungen zeigen. Ich rate zu individuellem Vorgehen: Jemand, der morgens keinen Hunger hat, braucht sich nicht zum Essen zu zwingen. Einem anderen fällt das Dinner Cancelling leichter.
Basenfasten ist streng genommen kein Fasten – die Definition besagt keine feste Nahrung und weniger als 500 Kalorien täglich –, sondern Verzicht auf säuernde Nahrungsmittel wie Eiweiss.
Fasten nach Buchinger hat sich in Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten bewährt. Fastenzeiten zweimal im Jahr oder einen Fastentag pro Woche halte ich für gute Strategien.
Beim Fasten soll man sich trotzdem auch bewegen, heisst es. Welche Art der Bewegung empfehlen Sie, und wie intensiv soll das Training sein?
Es sollte ein Gleichgewicht zwischen Bewegung und Ruhe angestrebt werden. Also kein Verkriechen in den eigenen vier Wänden, aber auch keine Höchstleistungen, da die Energie nicht so schnell bereitgestellt werden kann. Unsere Patienten machen Wanderungen, leichte Fitnessübungen, Stretching oder Yoga.
Neue Studien zeigen, dass auch ein Fasten-Tag gut sein kann. Wie lange würden Sie einem Fasten-Neuling empfehlen, zu fasten?
Da die Stoffwechselumstellung zu Beginn des Fastens manchmal Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen auslösen kann, würde ich für einen ersten Versuch zu fünf Fastentagen mit anschliessendem, langsamem Kostaufbau raten. Fasten lässt sich gut trainieren, dann fällt später ein Fastentag oder eine Esspause nicht schwer. Wir werden ständig zum Essen verführt. Wir brauchen das Fasten als Gegengewicht zum Erhalt und zur Steigerung der Lebensfreude.