«Furchtbar und grauenhaft!», mit diesen Worten beschreibt Jill Keiser die Zeit mit ihrer Frozen Shoulder. Im Dezember 2013 begann das Schultergelenk, zu schmerzen. Mit der Zeit kam eine Blockade hinzu. Nach verschiedenen Therapien und Arztkonsultationen diagnostizierte man erst sehr spät eine so genannte adhäsive Kapsulitis, wie die Frozen Shoulder in der Fachsprache genannt wird.
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Wenn das Schultergelenk steif ist, liegt in der Regel eine Entzündung der Gelenkkapsel vor. Dabei unterscheidet man zwischen einer Versteifung, die plötzlich und ohne offensichtlichen Grund auftritt und versteiften Schultergelenken, die nach einer Operation oder nach Verletzungen auftreten.
Wie in einer zu engen Lederjacke
Bei der Frozen Shoulder ist das Kapselgewebe betroffen, das Oberarmknochen und Schulterblatt zusammenhält. Im gesunden Zustand ist diese Gelenkskapsel weit und dehnbar. Bei einer Frozen Shoulder aber verdickt, verkürzt und versteift sich das Kapselgewebe so, dass es sich anfühlt, als würde man sich in eine viel zu enge Lederjacke quetschen – wodurch man sich kaum noch bewegen kann.
Dieses Gefühl kennt auch Erika Götz aus Zürich. Seit knapp einem Jahr ist ihre rechte Schulter «eingefroren». Die 73-jährige Rentnerin bekam früh von der Hausärztin die richtige Diagnose: «Sie sagte mir, dass man nicht viel machen könne und dass es im Durchschnitt nach 18 Monaten wieder von alleine vorbei geht». Mit einem entzündungshemmenden Schmerzmittel und Akupunktur bekämpft sie nun die Schmerzen. Zu akzeptieren, dass man die Behandlungszeit nicht verkürzen könne, war nicht einfach, sagt Erika Götz.
Operation eher keine Option
Der Orthopäde Gábor Puskás behandelt regelmässig Patienten mit Frozen Shoulder. «Wir Orthopäden, die häufig einen Eingriff anbieten können zur Linderung von Schulterbeschwerden, sind beim steifen Schultergelenk zurückhaltend mit Operieren», sagt der Schulterspezialist vom Kantonsspital St. Gallen. Operiert werde nur noch sehr selten, da man weiss, dass die Versteifung auch ohne Behandlung bei rund 70 bis 90 Prozent der Patienten wieder von alleine weg gehe. Nur dauert das eben im Durchschnitt 18 Monate.
Eine lange Zeit, vor allem wenn man durch die Frozen Shoulder in der Arbeit eingeschränkt ist. Dazu komme der oft sehr hohe Leidensdruck: «Vor allem in der Anfangsphase, wenn das Gelenk versteift, treten starke Schmerzen auf, die Patienten kaum noch schlafen lassen.» In dieser Situation bieten Hausärzte oder Orthopäden so genannte Infiltrationen an. Das sind Spritzen, mit denen der Arzt direkt Kortison in das Gelenk spritzt. Die Kortisonspritze sei eine gute Option und lindere vor allem auch die akuten Schmerzen, sagt Gábor Puskás.
Geduld statt Physiotherapie
Jill Keiser litt sehr unter den starken Schmerzen. Eigentlich hatte sie zu Beginn nur Schmerzen im Gelenk und im Schulterblatt – also noch keine Frozen Shoulder. Erfolglos versuchte ein Physiotherapeut, die Schulter mit viel Kraft und intensiven Oberarmmassagen wieder von den Schmerzen zu befreien. «Vielleicht hat genau diese intensive Physiotherapie meine Gelenkkapsel entzündet und meine Frozen Shoulder ausgelöst», sagt Jill Keiser heute.
Es gelte das Motto «weniger ist mehr», meint Puskás bezüglich intensiver Physiotherapie, speziell in der Anfangsphase der Erkrankung: «Wichtig ist vor allem, die Patienten aufzuklären damit sie wissen, dass es sich um eine gutartige Erkrankung der Schulter handelt, die wieder vorbeigeht – auch wenn das lange dauern kann».
Bei Jill Keiser sind die Schulterschmerzen nach gut zwei Jahren weg, und sie erreicht fast wieder die ursprüngliche Beweglichkeit. Geholfen hat ihr am Schluss vor allem eine sehr schonende Physiotherapie, die primär die Begleiterscheinungen der Frozen Shoulder behandelt hat. Erika Götz ist immer noch mitten im Heilungsprozess. «Glücklicherweise bringe ich bei wichtigen Dingen die Kraft auf, Geduld zu haben», sagt sie. Es falle ihr aber nicht leicht.