Sie heissen «Clostridium symbiosum» oder «Bacteroides caccae» und leben in unserem Darm. Dort helfen sie bei der Verdauung, stellen Vitamine zur Verfügung und sorgen für unser Wohlbefinden. Doch: Nicht alle Darmbewohner tun uns gut. Gewisse Bakterien machen womöglich dick. Zu diesem Schluss kommt eine US-Forschergruppe im Fachblatt «Nature».
Den amerikanischen Forschern gelang der Nachweise mit einem raffinierten Experiment: Sie rekrutierten dicke und dünne Frauen. Dem Stuhl der Frauen entnahmen die Forscher Bakterien, und diese Bakterieren verabreichten sie dann Versuchsmäusen im Labor. Die Mäuse veränderten darauf innert kürzester Zeit – ihr Gewicht: Jene, die Bakterien von übergewichtigen Frauen erhalten hatten, nahmen zu. Die anderen Mäuse blieben dünn. «Es hatte nichts damit zu tun, was die Mäuse assen», sagt Teamleiter Jeffrey Gordon von der Washington University in St. Louis. «Sondern es war die Darmflora, welche die Eigenschaft weitergab.»
Evolutionärer Vorteil
Welche der unzähligen Darmbakterien für die Gewichtszunahme verantwortlich waren, konnten die Forscher noch nicht eindeutig eruieren. Auch der Mechanismus bleibt im Dunkeln. Der Zürcher Gastroenterologe Gerhard Rogler vom Unispital vermutet, dass unterschiedliche Darmbakterien unterschiedlich gut darin sind, Nahrungsbestandteile für unsere Verdauung aufzuschliessen. «Das bedeutet, dass wir aus der gleichen Nahrungsmenge eine unterschiedlich grosse Menge an Kalorien gewinnen», sagt Rogler. «In der Steinzeit war das sicherlich ein Überlebensvorteil, aber heute ist es das nicht mehr, weil wir genug Nahrung zu Verfügung haben.»
Der Befund der US-Forscher könnte zu neuen Behandlungsoptionen bei Übergewicht führen. Jeffrey Gordon und seine Kollegen vermuten, dass sich die Zusammensetzung der Darmflora über eine geeignete Ernährung – etwa mehr Ballaststoffe – verbessern liesse.
Schlank durch Stuhltransplantation?
Und Experten denken bereits auch über eine extreme Therapieform nach: Stuhltransplantation. Was unapetitlich klingt, gibt es tatsächlich und wird seit einiger Zeit erfolgreich eingesetzt, um besonders hartnäckigen Durchfall zu behandeln. Dabei werden den Durchfallpatienten Darmbakterien von Angehörigen über eine Nasensonde direkt in den Dünndarm gespühlt. Neun von zehn Patienten können so geheilt werden, sagt Gerhard Rogler.
Für eine breite Anwendung der Stuhltransplantation, also auch bei Übergewicht, sei es aber noch zu früh. Zuerst müsse geklärt werden, wie gut verträglich fremde Darmbakterien seien – etwa für das Immunsystem. «Wir wissen noch nicht, wie fremd eine Darmflora sein darf, damit das Immunsystem nicht belastet wird», sagt Rogler.
Klar ist: Im Gegensatz zu den Genen, die ebenfalls mitbestimmen, wie schwer jemand ist, könnte die Darmflora leichter verändert werden.