- Gegen Kinder-Leukämie und beim Lymphdrüsenkrebs bei Erwachsenen kommen bald sehr teure neue Therapien auf den Schweizer Markt.
- In den USA muss nur bei Erfolg bezahlt werden, weil die Therapien dort bis eine halbe Million Dollar pro Patient kosten.
- Experten fürchten eine Zweiklassen-Medizin.
Wie viel darf ein Medikament kosten, das potenziell Leben rettet? Und erst noch das Leben von Kindern? Vor diese heikle Frage sehen sich bald das Bundesamt für Gesundheit und die Eidgenössische Leistungskommission gestellt. Sie entscheiden darüber, wie viel Novartis und Gilead für ihre beiden teuren Car-T-Therapien verlangen dürfen und ob die Krankenkasse die Kosten übernehmen müssen
Es geht um Kosten von mehreren hunderttausend Franken pro Patient, exklusive der teuren Spitalkosten. Denn die Behandlung mit den «revolutionären» neuen Zelltherapien, wie sie Onkologen nennen, kann massive Nebenwirkungen haben. Auch die Kosten dieser Behandlung gehen schnell noch einmal in die Hunderttausende.
Kymriah von Novartis in Zulassung
«Die Therapie ist sehr kostenintensiv in der Herstellung und kann Leben retten», sagt der Europa-Verantwortliche von Novartis, Emanuele Ostuni. Novartis hat mit «Kymriah» ein Produkt im Rennen, das bei behandlungsresistenter Kinder-Leukämie, aber auch bei Lymphdrüsenkrebs bei Erwachsenen zugelassen werden soll – wie «Yescarta» von Gilead.
Die EU-Arzneimittelbehörde hat für beide Produkte bereits Ende August grünes Licht gegeben; jetzt sind die einzelnen Länder daran, die Kostenfrage zu klären.
In Deutschland liegt der erste Vorschlag von Novartis bei 320'000 Euro, deutlich unter dem US-Preis. In England ist das Novartis-Produkt von NICE (National Institute for Health and Care Excellence) in einem ersten Anlauf als kosten-effizient deklariert worden, nicht hingegen bei Erwachsenen-Lymphdrüsenkrebs.
Zahlen nur bei Behandlungserfolg?
Ein Rückschlag für Novartis, denn in den USA waren die Behörden grosszügiger. Dort hat Kymriah einen Listenpreis von 475'000 Dollar – und war Türöffner für ein neues Preismodell, das womöglich auch breiter Furore machen wird: «Pay for Performance», bezahlen nur bei Erfolg.
Die Therapie muss nur bezahlt werden, wenn die Patienten nach 30 Tagen ansprechen. Wobei Experten kritisieren, dass das Zeitfenster zu kurz bemessen ist, um über Erfolg oder Misserfolg zu entscheiden.
Und was macht die Schweiz?
Bis Ende Jahr dürfte Swissmedic über die Zulassung der Zell-Produkte entscheiden. Sie sind sogenannte «First in Class», erste ihrer Kategorie. Nicht mehr klassische Medikamente in Pillenform.
Zum «Pharma-Produkt» werden die eigenen menschlichen Zellen eines Patienten, die in einem gentechnischen Verfahren im Labor aufgerüstet werden. Swissmedic überlegt sich daher offenbar die Zulassung als Transplantat statt als Medikament.
Gefahr Zweiklassenmedizin
Menschliche Zellen als Arzneimittel: Ein Paradigma-Wechsel, zu dem warnende Stimmen laut werden: «Es sind genmanipulierte Zellen die zurückgegeben werden, und die Gesellschaft muss sich überlegen, was man kommerzialisieren will und was man behalten will und zu vernünftigen Bedingungen und hoher Qualität allen zur Verfügung stellen», gibt Thomas Cerny, Präsident der Krebsforschung Schweiz, zu bedenken.
«Eine Therapie, die eine halbe Million kostet, ist sehr gefährdet, dass das in einer Zweiklassenmedizin enden wird», warnt der frühere Chefarzt Onkologie des Kantonsspitals St. Gallen.
Unispital Lausanne plant Studien
Rein technisch könnte jedes grosse Unispital mit modernen Gentech-Labors solche Zellen herstellen. So will auch das Universitätsspital Lausanne CHUV im nächsten Jahr Studien für Kinder-Leukämie anbieten.
Für Thomas Cerny ist denn auch wichtig, dass die Forschung in der Schweiz durch die kommerziellen Produkte nicht gehindert wird und mit gebündelten Kräften weitergeht: «Wir müssen schauen, dass die akademische zelluläre Immuntherapie lebendig ist und möglichst viel von dem, was Zukunft bringt, selber leistet.»