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Was die Hitze mit uns macht – auch bei der Arbeit
Aus Wissenschaftsmagazin vom 17.08.2024. Bild: imago images / Depositphotos
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Hitzewelle 2024 Wem Hitzetage und Tropennächte besonders zusetzen

Unter hohen Temperaturen leiden nicht alle Menschen gleichermassen. Über 65-Jährige sind stärker von Hitze betroffen als Menschen mittleren Alters, über 80-Jährige deutlich stärker. Auch die arbeitende Bevölkerung gilt als vulnerable Gruppe, besonders bei körperlich anstrengender Arbeit.

Das «Adullam» ist ein Pflegezentrum im beschaulichen Riehen nahe an der Grenze zu Deutschland. 75 Pflegeplätze bietet das Heim, das gleichzeitig ein Spital ist.

Der Umgang mit Hitze? Den beherrsche man hier aus dem Effeff, sagt Pflegeexperte Edmund Dietz: «Es ist heiss – also machen wir das oder das». Zu einzelnen Massnahmen müsse das Pflegepersonal nicht mehr viel überlegen, das meiste geschehe automatisch.

Eine der wichtigsten Vorkehrungen betrifft das Raumklima: Als Erstes werden am Morgen die Rollläden und Jalousien heruntergelassen, damit die Räume nicht überwärmen. Abends, wenn es draussen abkühlt, werden die Fenster zum Lüften geöffnet.

Darüber hinaus pflegt das Adullam eine Fülle von Praktiken, um das Leben der betagten Bewohnerinnen und Bewohnern bei Hitzetagen erträglicher zu machen: So werden diese vermehrt zum Trinken angehalten, um dem verminderten Durstgefühl von alten Menschen entgegenzuwirken.

Anstrengende Pflegemassnahmen werden über den gesamten Vormittag verteilt, und das Pflegepersonal kontrolliert die Bewohner laufend auf Symptome von Überhitzung.

Wer besonders unter der Hitze leidet

Dass alten Menschen die Hitze besonders zusetzt, ist schon länger bekannt. Doch sie sind nicht die Einzigen: Auch Säuglinge und Kleinkinder sind hitzegefährdet. Der kindliche Organismus kann noch nicht so gut schwitzen, die Thermoregulation funktioniert also nicht gleich gut wie bei Erwachsenen.

Weitere vulnerable Gruppen sind Schwangere, Menschen mit Vorerkrankungen – zum Beispiel Herz-Kreislauf-Problemen – oder Personen, die auf bestimmte Medikamente angewiesen sind.

So funktioniert die Thermoregulation

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Legende: Schwitzen kühlt, entzieht dem Körper aber auch Flüssigkeit und Mineralien imago images / Pond5 Images

Um zu überleben, muss der Mensch seine Körpertemperatur bei rund 37 Grad Celsius halten. Bei hohen Aussentemperaturen leitet der Körper Wärme über die Haut ab. Die Hautgefässe werden breiter, um über eine möglichst grosse Fläche Wärme ableiten zu können. Gleichzeitig steigt die Durchblutung der Haut. Dadurch sinkt der Blutdruck, und die Herzfrequenz steigt – für den Kreislauf eine Herausforderung.

Wird die Hautoberfläche zu heiss, versucht der Körper sie durch Schwitzen abzukühlen. Er bringt Wasser an die Hautoberfläche, wo es verdunstet. Weil dadurch die Gefahr der Dehydrierung wächst, braucht der Körper genügend Flüssigkeit. Auch Salze, Magnesium und andere Elektrolyte müssen dem Körper wieder zugeführt werden. 

Eine grosse Rolle beim Kühlmechanismus spielt neben der Umgebungstemperatur die Luftfeuchtigkeit. Bei hoher Luftfeuchtigkeit ist die Umgebung bereits mit Feuchtigkeit gesättigt: Der Schweiss auf der Haut verdunstet langsamer oder gar nicht. Infolgedessen kann sich der Körper schlechter abkühlen, das Risiko für ein Überhitzen steigt. (SDA)

Auch die arbeitende Bevölkerung ist bei Hitze gefährdet, etwa in der Pflege: «Gesundheitsfachkräfte sind bei Hitze besonders gefordert, weil ihre Klientinnen und Klienten oft ältere Menschen sind und sie daher zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen», sagt Isabel Baumann, Professorin für Public Health an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Das bestätigt sich im Pflegezentrum Adullam: «Unsere Arbeit ist sehr anstrengend, wenn es so heiss ist», sagt die Pflegefachfrau Irena Kosic. Manchmal trinke sie zu wenig, und sie sei oft nassgeschwitzt. «Eigentlich sollte man als Pflegefachfrau die Arbeitskleidung mehrmals am Tag wechseln, doch dafür fehlt uns die Zeit.» Sie habe keine Wahl: Die Arbeit habe Priorität.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

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Legende: Bauarbeiter sind der Sommerhitze speziell ausgesetzt. Imago Images / Depositphotos

Gemäss schweizerischem Arbeitsgesetz sind Arbeitgeber verpflichtet, die Gesundheit ihrer Angestellten zu schützen: Sie haben eine «Fürsorgepflicht».

In den Verordnungen zum Arbeitsgesetz wird Hitze bei der Arbeit als besonderes Risiko erwähnt. Es gibt in der Schweiz zwar keinen allgemeinen Schwellenwert für hitzefrei, aber das Thema beschäftigt Gewerkschaften und Arbeitgeber gleichermassen. In der Baubranche zum Beispiel wollen sich die Sozialpartner jetzt darauf einigen, dass ab 33 Grad die Arbeit niedergelegt wird.

Die Hitzebelastung von Gesundheitsfachkräften will ein Team um ZHAW-Professorin Isabel Baumann nun genauer untersuchen, zusammen mit Spitex-Organisationen in der Deutschschweiz und im Tessin. «Wir wollen herausfinden, wie stark die Belastung bei Hitze für Pflegefachpersonen effektiv ist», sagt Isabel Baumann. Daraus sollen praktikable Massnahmen entwickelt werden, um die Berufsleute bei ihrer Arbeit zu schützen.

Wissenschaftsmagazin, 17.8.2024, 12:40 Uhr

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