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Wie Klimaanlagen zukunftstauglich werden
Aus Wissenschaftsmagazin vom 27.08.2022. Bild: Imago Images / PantherMedia / Andriy Popov
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Populäre Umweltsünde Moderne Klimaanlagen heizen die Welt weniger auf

Vielen Menschen wird es diesen Sommer wieder zu heiss, auch in den Wohnungen. Händlerinnen und Händler melden Rekordverkäufe bei Klimaanlagen. Aber: Inwiefern schaden die Geräte eigentlich der Umwelt? Und wie sehen nachhaltige Alternativen aus?

Stefan Reimann

Umweltnaturwissenschaftler an der Empa

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Der Umweltnaturwissenschaftler Stefan Reimann forscht an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf. Sein Forschungsschwerpunkt sind die halogenierten Treibhausgase (FCKWs, FKWs).

Diese halogenierten Substanzen werden auf dem Jungfraujoch kontinuierlich gemessen. Die Messungen werden dazu verwendet, die Emissionen über der Schweiz abzuschätzen, welche zum Beispiel aus nicht dichten Klimaanlagen stammen.

SRF Wissen: In der Schweiz werden immer mehr Klimaanlagen installiert. Was bedeutet das für die Umwelt?

Stefan Reimann: Einerseits verbrauchen diese Geräte Strom. Andererseits enthalten sie Kühlmittel. Wenn die Anlagen nicht ganz dicht sind, gelangen diese Kühlmittel als Treibhausgase in die Atmosphäre. Somit heizen die Gase die Welt auf.

Gibt es auch eine umweltfreundliche Variante für Kältemittel?

Dorthin geht die Entwicklung auf jeden Fall. Im Moment werden vor allem die sogenannten HFO in die neuen Klimaanlagen eingebaut. Auch normale Kohlenwasserstoffe werden vermehrt eingesetzt zur Kühlung. Es sind aber noch immer Geräte im Einsatz, die umweltschädliche Substanzen enthalten. Und sie werden leider auch noch immer produziert.

Kühlmittel: Eine Übersicht

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Legende: Das Ozonloch über der Antarktis im September 2006. imago images / UPI Photos

Ammoniak gehört zu den natürlichen Kühlmitteln und gilt als relativ umweltfreundlich und günstig. Jedoch kann die chemische Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff in konzentrierter Form Schleimhäute und Lunge schädigen sowie Augen und Atmung reizen.

Diethylether ging als erstes «professionelles» Kältemittel in die Geschichte ein. Die Substanz ist jedoch hochentzündlich, giftig und umweltschädlich. Eine Zeit lang wurde sie zudem als Narkosemittel eingesetzt. Schon seit Jahrzehnten wird Ether nicht mehr als Kühlmittel eingesetzt.

Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) kamen in den 1930er-Jahren auf den Markt. Der Vorteil der synthetisch hergestellten Kühlmittel: Sie sind weder giftig noch besonders brennbar. Später wurde aber nachgewiesen, dass FCKW die Ozonschicht schädigen und massgeblich am Treibhauseffekt beteiligt sind. Die Weltpolitik reagierte und beschloss im Montreal-Protokoll ein Verbot der ozonschädigenden Substanz.

Fluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) ersetzten in den 1990er-Jahren die chlorierten Kohlenwasserstoffe. FKW bauen das Ozon zwar nicht ab, sind bezüglich Umweltverträglichkeit aber umstritten, da sie starke Treibhausgase sind.

Hydrofluorolefine (HFO) sind die neuste Generation der synthetischen Kühlmittel. Fluorierte Olefine bleiben im Gegensatz zu ihren Vorgängern nur kurze Zeit in der Atmosphäre erhalten und sind nur sehr schwache Treibhausgase.

Isobutan und Propan sind umweltfreundliche Kühlmittel, welche in Kühlschränken und Klimaanlagen eingesetzt werden können.

Kohlenstoffdioxid (CO₂) ist ein nicht brennbares und umweltfreundliches Kühlmittel, wurde jedoch eine Zeit lang kaum verwendet. Heute erlebt die Substanz ein Revival, da sie als Kühlmittel verwendet kaum zum Treibhauseffekt beiträgt. CO₂ wird aktuell zum Beispiel zur industriellen und gewerblichen Kühlung eingesetzt.

Von welchen umweltschädlichen chemischen Verbindungen sprechen Sie?

Die Kühlung der Geräte ist mit fluoriertem Kohlenwasserstoff gefüllt. Wenn diese in die Atmosphäre gelangen, sind sie als Treibhausgase wirksam. Auch in der Schweiz werden solche Geräte noch angeboten. Zum Glück geht die Entwicklung aber in Richtung ökologischeren Kühlmitteln.

Sind diese Geräte teurer als die herkömmlichen?

Eine Neuentwicklung bringt anfangs immer eine kleine Preissteigerung mit sich. Aber im Prinzip ist das Kühlmittel, das drin ist, viel billiger und ungefähr gleich effizient. Beispielsweise ist Propan billiger als HFO. Ich bin mir sicher, dass die neuen Geräte mit der Zeit etwa gleich teuer sein werden.

Alternativen zu einer Klimaanlage

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Tipps für den Alltag

  • Ventilatoren kühlen nicht die Luft, aber die Menschen. Sie bewegen die Luft im Raum und sorgen für einen kühlenden Zug auf der Haut. Dieser Luftzug sorgt dafür, dass mehr Schweiss verdunstet – und erzeugt so die sogenannte Verdunstungskälte auf der Haut. Ventilatoren mit horizontaler und vertikaler Pendelfunktion bewegen die Luft besonders wirksam. Geräuscharme Modelle können auch nachts im Schlafzimmer laufen. Morgens und abends kann ein Ventilator am offenen Fenster die warme Luft aus dem Zimmer schneller nach draussen bringen.
  • Aufheizen der Räume verhindern. Tagsüber Fenster komplett schliessen, Vorhänge zuziehen und Rollläden herunterlassen. Je weniger Sonnenlicht ins Zimmer kommt, desto kühler bleibt es. Sonnenschutzglas, Sonnenschutzfolien oder Thermorollos halten die Hitze draussen und lassen doch Licht herein. Idealerweise werden Folien und ähnliches auf der Aussenseite der Fenster angebracht, so dringt weniger Hitze in die Räume.
  • Elektrogeräte ausschalten. Computer und Unterhaltungselektronik produzieren im Betrieb erhebliche Abwärme und geben sogar noch im Standby Wärme ab. Vollständiges Ausschalten spart zudem auch Strom. Auch Herd und Ofen geben Wärme ab – im Sommer deshalb eher auf kalte, leichte Küche setzen.
  • Richtig lüften. Sobald die Temperaturen erträglich sind (morgens und abends), alle Fenster öffnen und mit Durchzug die Hitze aus der Wohnung bringen. Speziell am Mittag und Nachmittag alle Fenster geschlossen halten. An sehr heissen Tagen Fenster die Nacht hindurch offen lassen.
  • Verdunstungskälte produzieren. Feuchte Handtücher ans geöffnete Fenster oder auf einen Wäscheständer im Zimmer hängen oder direkt auf die Haut legen. Beim Trocknen wird der Luft Wärme entzogen und das Zimmer kühlt spürbar ab. Nach demselben Prinzip funktionieren Kühlwesten für die Arbeit oder den Sport im Freien. Ebenfalls hilfreich: Ein Luftbefeuchter im Zimmer oder gelegentliches sich selbst Besprühen mit Wasser aus einer Sprayflasche.
  • Kälte ins Bett mitnehmen. Bettdecke, Kissen oder Pyjama kurz in Tiefkühler oder Eisfach legen. Oder eine Bettflasche mit Wasser und Eiswürfeln füllen und als Kühlkissen nutzen. Auf kalte Duschen verzichten, weil sie gegenteiligen Effekt haben und für noch mehr Schweiss sorgen – ideal ist eine lauwarme Dusche, die den Körper leicht abkühlt

Tipps fürs Wohneigentum

  • Wärmedämmung des Hauses überprüfen. Vor allem bei Dachgeschosswohnungen sorgt eine wirksame Isolation nicht nur für weniger Heizkosten im Winter, sondern eben auch für weniger Hitze im Sommer
  • Garten begrünen. Bäume und Sträucher sowie Kletterpflanzen an der Fassade sorgen mit ihren Blättern für Schatten und senken die Temperatur ums Haus herum und im Hausinneren. Schottergärten reflektieren hingegen die Sonnenstrahlung ungehindert und heizen die Umgebung zusätzlich auf.
  • Sonnensegel und Markisen sorgen für Schatten auf Balkonen und Terrassen und halten die angrenzenden Zimmer kühl.
  • Smarthome-Lösungen übernehmen die automatisierte Verschattung und Lüftung anhand von Zeitplänen oder Messdaten. Vieles lässt sich zum Beispiel auch bei älteren Dachfenstern nachrüsten – Nachfragen beim Hersteller lohnt sich.

Was für Auswirkungen hätten die Klimaanlagen denn, wenn sie nicht weiterentwickelt würden?

Wenn wir so weiterfahren, erwärmt sich das Klima bis 2100 ungefähr um 0,1 Grad zusätzlich zu dem, was wir sonst schon erwarten. Diese Berechnungen machen deutlich, dass der Treibhauseffekt dieser Anlagen doch beträchtlich ist.

Verbrauchen die neuen Geräte auch weniger Storm?

Ja, denn es steckt eine effizientere Technik dahinter. Das führt automatisch zu einer Verkleinerung des Stromverbrauchs und der Energie, die hineingesteckt wird.

Wie viel Kühlleistung benötige ich?

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Der Energiebedarf zur effizienten Kühlung eines Raumes hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Faustregel:

  • Gut gedämmter Raum mit wenig Sonneneinstrahlung: Raumfläche in Quadratmetern x 60 Watt
  • Wenig Dämmung mit viel Sonneneinstrahlung: Raumfläche in Quadratmetern x 100 Watt

Um ein 20 Quadratmeter grosses Zimmer mit viel Sonne und schlechter Isolation zu kühlen, ist also ein Gerät mit mindestens 2000 Watt Leistung nötig.

Für eine genauere Schätzung des Energiebedarfs unter Berücksichtigung weiterer Parameter kann zum Beispiel dieser Onlinerechner genutzt werden.

Die Kühlleistung von Klimaanlagen wird häufig in BTU (British Thermal Unit) angegeben. Für die Umrechnung werden die Watt durch 0.29371 geteilt. 2000 Watt entsprechen somit rund 6800 BTU/h.

Aber die grosse Revolution ist wahrscheinlich nicht zu erwarten.

Es geht wie immer ein wenig langsamer, als wir möchten. Dass die fluorierten Kohlenwasserstoffe zu einem guten Teil durch normale Kohlenwasserstoffe ersetzt werden können, ist sicher eine sehr gute Entwicklung.

Das Gespräch führte Daniel Theis.

Redaktioneller Hinweis

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Dieses Interview wurde am 2. September 2022 zum ersten Mal veröffentlicht.

SRF Meteo, 06.07.2023, 12:55 Uhr ; 

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