Wissenschaftsredaktor Christian von Burg ordnet ein.
Warum sind diese resistenten Keime überhaupt so ein grosses Problem?
Es gibt immer mehr Keime, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind. Und wenn dann gar keines mehr wirkt, dann kann das tödlich enden. In der Schweiz sterben jedes Jahr etwa 300 Menschen, an solchen multiresistenten Keimen, weltweit sind es gemäss jüngsten Schätzungen mindestens 1,2 Millionen Menschen und es droht noch deutlich schlimmer zu werden: Expertinnen und Experten sprechen nämlich von einem der grössten Gesundheitsprobleme der Zukunft. Die WHO rechnet bis 2050 von jährlich bis zu 10 Millionen Toten pro Jahr wegen fehlender Antibiotika, wenn nicht schnell gehandelt wird.
Jetzt haben Forschende von Roche in Basel einen neuen Wirkstoff entwickelt, der auch gegen diese Keime wirken soll. Die Fachzeitschrift «Nature», die die Studie publiziert hat, bezeichnet die Ergebnisse als «vielversprechend». Ist das also DER Durchbruch im Kampf gegen Antibiotika-Resistenz?
Nein, das kann man so nicht sagen. Der neue Wirkstoff ist erst im Labor an Mäusen getestet worden und hat da gewirkt. Jetzt wird das neu entwickelte Antibiotikum in einer ersten kleinen Studie an Menschen getestet. Aber Mäuse und Menschen unterscheiden sich deutlich und wir erleben es immer wieder, dass Wirkstoffe, die bei Mäusen funktionierten beim Einsatz im Menschen nicht funktionieren, oder es gibt unannehmbare Nebenwirkungen. Der neue Wirkstoff von Roche ist also noch kein Durchbruch – aber es ist ein Hoffnungsschimmer.
Was ist der Unterschied des neuen Wirkstoffs zu Medikamenten, die es schon gibt, aber gegen die manche Bakterien eben resistent sind?
Der Wirkstoff gehört zu einer neuen chemischen Klasse von Antibiotika. Er hemmt den Transport des Moleküls Lipopolysacharid zur äusseren Zellmembran der Bakterien. Wenn dieser Transport gehemmt wird, wird das über die Zeit tödlich für das Bakterium. Dieser Ansatz sei eine neue Art, die schädlichen Bakterien zu bekämpfen, sagen die Autoren der Studie. Und das macht diesen Wirkstoff natürlich besonders interessant, weil die Bakterien noch nicht lernen konnten, diesen Trick zu umgehen.
Wie weit entfernt ist man von der Anwendung bei Menschen?
Jetzt laufen die ersten Versuche an gesunden Menschen – in kleinen Gruppen. Wenn sich keine wesentlichen Nebenwirkungen zeigen, wird das Antibiotikum in einer zweiten Phase an Patientinnen und Patienten getestet – erst an wenigen Hunderten, wenn es sich bewährt an Tausenden – das alles dauert Jahre. Und es ist, wie gesagt, noch völlig unklar, wie das dann herauskommt. Die meisten grossen Pharmaunternehmen haben die Entwicklung neuer Antibiotika eingestellt, weil das insgesamt sehr schwierig ist, weil es hohe Risiken gibt und weil sie wenig Gewinn damit machen. In früheren Fällen wurden deshalb vielversprechenden Projekte auch wieder gestoppt – weil es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hat.
Antibiotika-Resistente Bakterien sind weltweit ein grosses Problem – macht es denn Sinn, immer wieder neue Antibiotika-Medikamente zu entwickeln – oder müsste man nicht den Einsatz von Antibiotika generell reduzieren?
Man muss beides tun. Es stimmt schon: Indem wir Antibiotika zu oft eingesetzt haben – in der Human-, aber auch in der Tiermedizin, haben sich die Resistenzen viel schneller entwickelt, als das eigentlich nötig gewesen wäre. Und das ist weiterhin so – trotz zahlreicher Gegenkampagnen. Oft verschreiben Ärztinnen und Ärzte zu schnell ein Antibiotikum – oder die Patientinnen und Patienten wollen es unbedingt – auch wenn es – gegen Viren zum Beispiel überhaupt nichts nützt. Aber Bakterien entwickeln über kurz oder lang neue Resistenzen – das lässt sich nicht grundsätzlich verhindern – es braucht also auch laufend neue Antibiotika.
Das Gespräch führte Silvia Staub.