Es geschah völlig unerwartet, nach einem Fussballtraining. Gazmend Jonuzi verspürte einen Schmerz, den er vorerst nicht einzuordnen wusste: «Ich habe kurz nach dem Sport, in der Garderobe, etwas gespürt. Der linke Arm war wie eingeschlafen, wie nach einem Ellbogenschlag».
Experten-Chat
Der 35-jährige Hobbyfussballer fuhr nach Hause, wo sich die Beschwerden nicht besserten. Dann erinnerte er sich an eine Arbeitskollegin, die an einem Herzinfarkt gestorben war und fuhr in die Notfall-Aufnahme des nächstgelegenen Spitals. Von dort wurde er sofort ins Universitätsspital Zürich eingeliefert, wo ihm ein Stent eingesetzt wurde.
Belastbarer als vermutet
Heute, acht Wochen später, ist er in der Kardio-Rehabilitation des USZ dreimal wöchentlich am trainieren. Nach einem genauen Trainingsplan, überwacht durch Ärzte und Physiotherapeuten.
Der Schweiss tropft ihm von der Stirn, er atmet schwer. 40 Minuten Intervalltraining auf dem Steppgerät sind hart, selbst für Gesunde: Zwei Minuten Vollgas mit gut 90 Prozent des Maximalpulses, gefolgt von fünf Minuten bei Erholungstempo. «Ganz ehrlich gesagt hatte ich zuerst ein komisches Gefühl dabei», verrät Gazmend Jonuzi. «Ich hätte nie gedacht, dass ich nochmals so rein kann. Ich dachte, mit diesem Herzinfarkt ist es vorbei mit Sport.»
Ich dachte, mit diesem Herzinfarkt ist es vorbei mit Sport.
Dass das Herz die Belastung aushält, ist eine wohltuende Bestätigung nach einem verunsichernden Herzvorfall. Viele Herzpatienten kämpfen noch lange mit psychischen Problemen nach einem Arterienverschluss. Sie wissen nicht genau, was sie ihrem Körper zumuten können und fürchten sich vor einem neuen Vorfall.
Funktioniert auch mit Betablockern
Bis auf 160 Herzschläge hoch geht das Intervalltraining bei Gazmend Jonuzi – und das trotz Betablockern, die den Herzschlag künstlich senken.
«Fast jeder Reha-Patient kann Intervall trainieren», erklärt Arian Nevzati, Leiter der Kardio-Physiotherapie, «in der Regel drei bis vier Wochen nach einem Hervorfall, wenn keine Komplikationen da sind, unabhängig vom Alter».
Die Zeiten, in denen nach einem Herzinfarkt Schonung angesagt ist, sind vorbei. Ein Paradigmenwechsel habe stattgefunden, bestätigen zahlreiche Experten. Viel Sport sei in der Regel gesund, vor und nach einem Herz-Kreislauf-Vorfall.
«Wir bestimmen zu Beginn eines Trainingsprogramms mit einem Ultraschall und einem Spiroergometrie-Test, wie belastbar das Herz ist», erläutert Christian Schmied, Kardiologe und Sportarzt am USZ, das Vorgehen. «Dort wird auch individuell bestimmt, in welcher Zone und mit welchem Herzschlag ein Patient trainieren soll. Das hängt von seinem vorherigen Trainingszustand ab».
Widersprüchliche Studienlage
Vor ein paar Jahren glaubte man, dass HIIT nicht nur sicher ist bei Herzpatienten, sondern sogar noch Verbesserungen der Herzleistung ermöglicht, wie es mit herkämmlich verschriebenem, traditionellem Ausdauertraining nicht möglich ist. Durch Adaption verbessere sich der Herzmuskel, zeigte 2007 eine Aufsehen erregende Studie. Eine neuere Multi-Center-Studie konnte dies aber nicht bestätigen, obwohl die Studie gewisse Mängel hat und das letzte Wort womöglich noch nicht gesprochen ist.
Fast jeder Reha-Patient kann Intervall trainieren.
«Was aber viele Studien eindrücklich gezeigt haben: Dass man durch Intervalltraining Benefit hat, die Fitness verbessert, aber auch harte Endpunkte wie Rehospitalisation oder neuerliche Herzinfarkt-Vorfälle reduziert», erklärt Kardiologe Christian Schmied.
Zudem bringe das Intervalltraining auch Nutzen für den späteren Alltag, Patienten verbesserten generell ihr Stehvermögen, etwa für das Wandern oder das Skifahren. «Nur an der Nachhaltigkeit fehlt es oftmals», weiss Schmied. «Patienten haben Mühe, das fordernde Training alleine ausserhalb der Reha weiterzumachen». Am Herz liegt's also nicht, eher am Willen.