Für viele war der amerikanische Sexualforscher und Buchautor Alfred Kinsey der Befreier der weiblichen Sexualität – für andere einfach bloss ein Schmutzfink, der unanständige Bettgeschichten ans Tageslicht zerrt.
1948 hatte er mit «Das sexuelle Verhalten des Mannes» bereits ein kontroverses Werk veröffentlicht, das bei zahlreichen moralischen Instanzen auf dem Index stand.
1953 legte er mit dem «Kinsey Report über das sexuelle Verhalten der Frau» noch einmal nach und brach gleich reihenweise Tabus. Im von ihm erarbeiteten, 500 Fragen starken Fragenkatalog wurde Masturbation ebenso thematisiert wie Analsex, Bisexualität, Fremdgehen oder – von Männern seinerzeit wohl speziell bedrohlich empfunden – die sexuelle Zufriedenheit von Ehefrauen.
In seiner «Kinsey-Skala» versuchte er zudem, die sexuelle Orientierung eines Menschen als Zahlenwert zu erfassen. Die Skala reicht von 0 bis 6, wobei 0 für ausschliesslich hetereosexuell steht und 6 für ausschliesslich homosexuell. Dazwischen liegen verschiedene Grade bisexueller Erfahrungen. Ausserhalb der Skala existiert der Wert «X» für asexuelle Menschen, die sich von keinem Geschlecht angezogen fühlen.
Kinsey gilt mit seiner Arbeit als einer der Wegbereiter der sexuellen Revolution der 60er-Jahre. Das von ihm begründete «Institut für Sexualforschung» an der Universität von Indiana besteht als «Kinsey-Institut für Sexual-, Geschlechts- und Reproduktions-Forschung» weiterhin. Sein Leben ist Thema des biografischen Films «Kinsey – Die Wahrheit über Sex» mit Liam Neeson in der Hauptrolle und des Romans «Dr. Sex» von T. C. Boyle.
Für Radio SRF 1 hat sich Christine Schulthess mit dem «Kinsey Report» von 1953 befasst – nachzuhören im obigen Audio.