«Im Nachhinein wurde mir klar: Ich hätte viele Arbeitseinsätze schlicht ablehnen sollen», sagt der 46-jährige David Francescato. Jahrelang stemmt er einen harten Job. Er reinigt und versiegelt grosse Oberflächen, zum Beispiel die Becken von Kläranlagen. Dafür braucht er Lösungsmittel. Schutzmassnahmen gegen Staub und giftige Dämpfe sind in seinem Betrieb mangelhaft.
Berufskrankheit als «Zeitbombe»
Die Risiken, denen David Francescato bei der Arbeit ausgesetzt ist, führen dazu, dass er eine Berufskrankheit entwickelt. Doch das ist ihm zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst.
«Das Problem bei Berufskrankheiten ist, im Gegensatz zum Unfall: Sie entstehen nicht auf einen Schlag, etwa durch einen Sturz», erklärt Anja Zyska Cherix, Chefärztin für Arbeitsmedizin der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva. Viele Berufskrankheiten entstehen schleichend, Symptome zeigen sich erst mit der Zeit.
Unheilbar krank – Suche nach Auslöser
Bei einem Arbeitseinsatz packt David Francescato eine erste Schwindelattacke. Es geht ihm immer schlechter – er landet im Spital. Ärzte stellen eine Systemische Sklerodermie fest. Die unheilbare Autoimmunerkrankung schädigt das Bindegewebe. Dadurch sind Blutgefässe, Lunge, oder Nieren gefährdet. Die Diagnose stürzt den Familienvater in eine existenzielle Krise.
Bei David Francescato stellt sich die Frage, was die Krankheit ausgelöst hat. Die Ärzte vermuten, dass womöglich die Lösungsmitteldämpfe, denen er jahrelang ausgesetzt gewesen ist, dahinterstecken. Sein Fall wird deshalb dem Unfallversicherer seines Arbeitgebers gemeldet.
Leistungen der Berufsunfallversicherung
Arbeitgeber müssen Angestellte, die acht Stunden oder mehr im Betrieb tätig sind, obligatorisch gegen Unfälle und Berufskrankheiten versichern. Der Versicherer übernimmt die Behandlungskosten, hilft bei Arbeitsplatz-Anpassungen, Umschulungen oder richtet bei Invalidität eine Rente aus.
Betroffene haben grosse Hürden zu nehmen, bis Leistungen fliessen. Ihr Leiden muss zuerst als Berufskrankheit anerkannt werden. Suva-Chefärztin Anja Zyska Cherix erklärt, worauf es ankommt: «Eine Anerkennung als Berufskrankheit kann nur dann stattfinden, wenn eine Erkrankung überwiegend wahrscheinlich durch den Beruf verursacht wurde.»
Je eindeutiger der Auslöser eines Leidens ist, desto grösser sind die Chancen auf eine Anerkennung. Multifaktorielle Leiden, also solche, für die es viele mögliche Auslöser gibt, werden kaum als Berufskrankheit anerkannt. Das gilt nach heutiger Praxis insbesondere auch für psychische Erkrankungen.
Arbeitgeber für Schutz verantwortlich
Selbst mit anerkannter Berufskrankheit geraten manche Betroffene in Not, verlieren Gesundheit, Job und Einkommen. Eine gute Prävention könnte manches schwere Schicksal verhindern.
Die Arbeitgeber sind zwar verpflichtet, für nötige Schutzmassnahmen zu sorgen. Trotzdem geschieht es, dass die Prävention vernachlässigt wird, Angestellte sich fügen und krank werden.
Gesundheit ruiniert – Invalidenrente
Aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit bezieht David Francescato heute eine Invalidenrente. Der Unfallversicherer hat ihn als Berufskranken anerkannt. Nun kämpft er auf zivilrechtlichem Weg beim Arbeitgeber um Schadenersatz. Sein Ziel ist, seiner Familie – falls er sterben sollte – nicht auch noch Schulden zu hinterlassen.