Claudia Schumm ist Mutter von zwei Jungs im Teenageralter. Der Jüngere erkrankte im Februar 2021 an Covid-19 – und blieb lange krank, erst seit dem Sommer 2024 ist er wieder gesund. Diese Erfahrung brachte die Kommunikationsberaterin dazu, sich für Kinder und Jugendliche mit Long Covid zu engagieren und die Patientengruppe «Long Covid Kids Schweiz» zu gründen.
Betroffene Familien erzählten ihr immer die gleichen Sorgen: Wo gibt es medizinische Hilfe? Was tun, wenn das Kind nicht mehr in der Lage ist, den Präsenzunterricht an der Schule zu besuchen? «Diese Familien haben sich verloren und verlassen gefühlt – und das ist bis heute so», sagt Claudia Schumm.
Das Problem von Long Covid in Zahlen zu fassen ist schwierig. Aktuelle Daten fehlen in der Schweiz. In den USA gibt es Zahlen aus bevölkerungsbasierten Studien, die besagen: 1,3 Prozent der amerikanischen Kinder haben ab 2020 bis heute Symptome von Long Covid gehabt, so ein soeben erschienener Artikel im Fachmagazin «Science».
In dieser Form, vor allem auch mit so vielen Betroffenen, haben wir dies in der Pädiatrie bisher noch nie angetroffen.
Auch die aktuell zirkulierenden Corona-Varianten können Long Covid auslösen. Die Zahl neu diagnostizierter Fälle nimmt zwar ab. Aber dies sei nur die halbe Wahrheit, sagt der Kinderarzt und Medizin-Ethiker Jürg Streuli: «Die andere Hälfte der Wahrheit zeigt sich weiterhin in einer erhöhten Rate an Verläufen mit einem chronischen Fatigue-Syndrom, möglicherweise in der schlimmsten Ausprägung.» In dieser Form, vor allem auch mit so vielen Betroffenen, habe man dies in der Pädiatrie bisher noch nie angetroffen.
Kreislauf von Krankheit und Verschlechterung
Kinder mit schweren, lang dauernden Verläufen von Long Covid haben zwei zentrale Probleme. Da ist zum einen das Risiko einer Wiederansteckung, wenn sie zurück an der Schule sind. Claudia Schummer beschreibt es so: «Sie treffen auf die nächste Covid-Welle, sie werden wieder krank, und es wirft sie wieder zurück.» Das führe die Kinder in einen permanenten Kreislauf von Krankheit und Verschlechterung.
Wenn wir sie wie bei anderen Infekten einfach zurück in den Präsenzunterricht schicken und zum Weitermachen ermahnen wie gewohnt, dann schaden wir den Kindern.
Die Reinfektion sei aber das kleinere Übel, sagt Kinderarzt Jürg Streuli. Viel schwerer wiege die Überforderung durch den Schulalltag: «Wenn wir sie wie bei anderen Infekten einfach zurück in den Präsenzunterricht schicken und zum Weitermachen ermahnen wie gewohnt, dann schaden wir den Kindern.» Das habe man erst in den letzten Monaten wirklich verstanden.
Keine Patentrezepte
Claudia Schumm beklagt, vielen Kinderärzten fehle das Wissen und Verständnis für Long Covid. Oft unterstellten diese den Kindern ein psychisches Problem, weil sie mit ihrem Latein am Ende seien. Viele Familien fühlten sich alleingelassen. «Es fehlen Beschulungs- und Betreuungslösungen für diese Kinder im Alltag.»
Das sieht auch Jürg Streuli so. Doch es gebe keine Patentrezepte. Was die Familien bräuchten, sei eine sorgsame Begleitung, wie sie etwa die Stiftung Gesundheitskompass anbiete. «Man muss jedes Kind und jede Familie individuell betrachten und eine sorgfältige Diagnostik machen – erst dann lässt sich eine Behandlungsempfehlung abgeben», sagt Jürg Streuli. Wichtig sei, nichts zu überstürzen oder eine falsche Richtung vorzugeben, sondern «den Eltern den Raum und die Zeit zu geben, sich in der neuen Normalität von Long Covid zurechtzufinden.»