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Heilende Drogen – so helfen LSD und Psilocybin
Aus Puls vom 13.02.2023.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 33 Minuten 45 Sekunden.

LSD, MDMA und Psilocybin Drogen statt Antidepressiva: Psychotherapie nach Schweizer Art

Mit Psychedelika gegen Krankheiten wie Depressionen oder Traumata. Die wichtigsten Fragen dazu, und was die Schweiz zur Pionierin macht.

Unter welchen Bedingungen ist ein therapeutischer Drogen-Trip legal? Seit 2014 können Ärztinnen und Ärzte beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Ausnahmebewilligung beantragen: Diese erlaubt den medizinischen Einsatz von andernfalls verbotenen Substanzen wie LSD und MDMA.

Die Psychedelika werden meist im Rahmen einer Psychotherapie angewendet. So kommt es während einer ein- bis dreijährigen Therapie üblicherweise zu drei bis sieben Trips.

Diese Ausnahmeregelung macht die Schweiz zur Psychedelika-Pionierin. Vergleichbare Regelungen kennen nur wenige weitere Länder wie Israel, die USA, Kanada und per 1. Juli 2023 auch Australien.

Das braucht es für eine Ausnahmebewilligung

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Psychedelika sind hierzulande seit den 1970er-Jahren verboten. Selbst eine ärztliche Fachperson kann kein LSD, MDMA oder Psilocybin (der Wirkstoff in «Magic Mushrooms») verschreiben.

In der wissenschaftlichen Forschung und Arzneimittelentwicklung hingegen sind LSD, MDMA und Psilocybin erlaubt. Und mit einer Ausnahmebewilligung des BAG ist bereits jetzt die beschränkte medizinische Anwendung möglich. Jedoch nur unter strengen Voraussetzungen:

  1. Die Krankheit beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Person stark.
  2. Schulmedizinische Behandlungen erzielen nicht die gewünschte Wirkung.
  3. Erfahrungsgemäss kann die Substanz den Therapieverlauf begünstigen.

Nur wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, erhalten Ärztinnen und Ärzte eine Ausnahmebewilligung.

Etabliert haben sich insbesondere MDMA bei posttraumatischen Belastungsstörungen und Psilocybin bei behandlungsresistenten Depressionen. Jedoch kommen Psychedelika auch bei weiteren Diagnosen zum Einsatz – unter anderem bei Suchterkrankungen, Ess- oder Zwangsstörungen, Cluster-Kopfschmerzen und Migräne.

Von der Substanz-assistierten Therapie ausgeschlossen sind Patientinnen und Patienten mit psychotischer Erkrankung oder Psychosen in der Verwandtschaft. Auch eine Bipolare Störung oder Borderline-Persönlichkeitsstörung können gegen den Einsatz von Psychedelika sprechen.

Wie läuft der Drogen-Trip im therapeutischen Setting ab? Am sogenannten «Drug Day» nimmt die betroffene Person die Substanz ein. Mindestens eine Person begleitet das mehrstündige Erlebnis. Diese Begleitperson bietet primär psychologischen Support – jedoch erfolgt keine Gesprächstherapie.

«Eine Begleitperson zeichnet sich durch Empathie, Ruhe und ein bestehendes Vertrauen zur Patientin oder zum Patienten aus», erklärt Matthias Liechti, Professor für klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel. Folglich können nicht nur Psychiaterinnen und Psychotherapeuten, sondern beispielsweise auch eine qualifizierte Pflegefachperson den Trip begleiten.

Auch das Setting entscheidet über das Substanz-Erlebnis. Gruppentherapien oder Gespräche richten das Erlebnis tendenziell nach aussen, das Abdunkeln des Raumes, Augenbinden oder Musik nach innen. «Während der intensivsten Zustände muss zwingend Musik gehört werden», insistiert Liechti.

Atmen bis zum Rauschzustand

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Die Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie (SÄPT) weist auf «holotropes Atmen» als Alternative zur Psychedelika-Sitzung hin. Stanislav und Christina Grof haben diese Methode in den 1970er-Jahren entwickelt – inspiriert durch die LSD-assistierte Therapie und als Reaktion auf deren Verbot.

Das holotrope Atmen soll erweiterte Bewusstseinszustände auslösen. Hierfür wird eine beschleunigte Atmung mit Musik und Körperarbeit kombiniert. Das rasche Atmen lässt das Kohlenstoffdioxid im Gehirn abfallen, was zum beabsichtigten Rauschzustand führt.

Im Vergleich zum Substanz-Erlebnis, führe die Atemtherapie zu einer sanfteren Bewusstseinserweiterung. Susanne Straub, Therapeutin für holotropes Atmen, erklärt: «Man wird nicht so schnell über innere Grenzen hinweggetragen. Diese Barriere kann frustrierend sein. Sie dient aber auch als Schutzmechanismus und erleichtert die Integration des Erfahrenen massgeblich.»

Mangels Studien fehlt es noch an wissenschaftlicher Evidenz für den Effekt auf psychische Erkrankungen. Trotzdem, so die Therapeutin, würden auch Psychiaterinnen und Psychiater ihnen Kursteilnehmende vermitteln. Mindestens die Hälfte der Interessentinnen und Interessenten bringt eine Geschichte psychischer Leiden mit: Depression, Burnout oder Angst- und Panikstörungen.

Straub ist überzeugt, dass das holotrope Atmen einen Zugang zu Traumata schaffen kann – vornehmlich dort, wo die Gesprächstherapie an ihre Grenzen stösst. Auch der Psychiater und Neurowissenschaftler Gregor Hasler betont, dass holotropes Atmen therapeutisch durchaus interessant sei und in der zukünftigen Forschung eine grössere Rolle spielen sollte.

Wie gross ist die Nachfrage nach der unkonventionellen Therapie? Im Jahr 2022 hat das BAG über 250 Ausnahmebewilligungen ausgestellt. Die Anzahl Bewilligungen ist während der letzten Jahre kontinuierlich gestiegen. Die Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie (SÄPT) bestätigt das wachsende Interesse. Gleichzeitig seien die Kapazitäten sehr begrenzt. Zurzeit bieten lediglich etwa 40 Fachpersonen Substanz-assistierte Therapien an.

Zukunft der Psychedelika: Eine politische Frage? «Für die Arzneimittelzulassung spielt die Politik überhaupt keine Rolle», sagt Matthias Liechti. LSD, MDMA und Psilocybin seien bereits auf der Zielgeraden zur Zulassung. Der Pharmakologe ordnet ein: «Rein theoretisch wäre es denkbar, dass MDMA dieses oder nächstes Jahr auf den Markt kommt.» Bei Psilocybin und LSD rechnet er mit drei bis vier Jahren.

Erst beim Schritt zur Legalisierung werde die Politik relevant. Er erwartet allerdings, dass mit der Zulassung auch die Akzeptanz in der Bevölkerung steigt: «Man kann dann nicht mehr sagen, dass es sich hier um ‹böse Drogen› handelt, die wahnsinnig machen.»

So wurde die Schweiz zur Psychedelika-Pionierin

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Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann hat die halluzinogene Wirkung von LSD im Jahr 1943 entdeckt. 1958 hat er erstmals Psilocybin isoliert.

Schnell fanden Psychedelika den Weg in die Psychotherapie. Sandoz, heute Teilkonzern der Novartis, hat einen Grossteil der weltweiten Forschungsprojekte mit LSD und Psilocybin versorgt – bis der zunehmend unkontrollierte Konsum in den 1970er-Jahren unter politischem Druck zum Verbot der Substanzen führte.

Anders als die meisten Länder hat die Schweiz schon früh einen Handlungsspielraum für die medizinische Behandlung mit verbotenen Substanzen geschaffen. Die offene Drogenszene auf dem Zürcher Platzspitz mag für diesen liberalen Umgang entscheidend gewesen sein. Matthias Liechti, Professor für klinische Pharmakologie, erklärt: «Die Schweiz musste eine pragmatische, zielführende Drogenpolitik umsetzen.» So bewilligte der Bundesrat 1992 beispielsweise auch die ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin, Morphin und Methadon an Abhängige.

Dank der liberalen Drogenpolitik konnten Forschende und ärztliche Fachpersonen hierzulande also früher als in anderen Ländern wieder mit Psychedelika arbeiten. Bereits zwischen 1988 und 1993 ermöglichte eine Ausnahmebewilligung des BAG den therapeutischen Einsatz von MDMA und LSD.

Der Psychiater, Psychotherapeut und Neurowissenschaftler Gregor Hasler, der selbst Substanz-Sitzungen begleitet, geht dennoch davon aus, dass Psychedelika streng regulierte Nischenprodukte bleiben werden. Und: Eine Legalisierung würde auch entscheidende Nachteile mit sich bringen, etwa das Risiko unkontrollierten Konsums oder ein reduziertes Forschungsinteresse.

Matthias Liechti hingegen blickt in eine liberale Zukunft und schliesst nicht aus, dass in 20 Jahren ein begleitetes Substanz-Erlebnis für alle möglich ist. Seine Vision: «Wochenende, schönes Hotel in den Bergen, Psychedelika-Konsum in betreuten Gruppen.»

SRF 1, Puls, 13.02.2023, 21:05 Uhr

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