Warum die WHO 15 Monate nach der letzten Mpox-Pandemie erneut eine globale Notlage ausruft, erklärt Experte Jan Fehr.
SRF Wissen: Was bedeutet die neue globale Notlage konkret?
Jan Fehr: Die Infektionskrankheit tritt nicht nur wie bisher vor allem in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) auf, sondern vermehrt auch in Kenia, Ruanda, Uganda und Burundi. In diesem Jahr wurden in der Subsahara über 15'600 Fälle gemeldet und vermutlich mehr als 500 Personen sind an der Pockenerkrankung gestorben.
Die neue Beurteilung des aktuellen Mpox-Ausbruchs soll auf internationaler Ebene ein Warnsignal an das Gesundheitswesen, die Politik, die Pharmafirmen sowie auch den länderübergreifenden Verkehr sein.
Besorgniserregend ist, dass sich die neue Virus-Untergruppe Klade Ib schnell ausbreitet. Betroffen sind vor allem auch viele Frauen und Kinder und es scheint auch mehr Todesfälle zu geben.
Wie unterscheiden sich die Viren der Mpox-Arten?
Es gibt den Virus-Typ des Kongobeckens (Klade I) und der westafrikanische Virus-Typ (Klade II). Vor zwei Jahren verbreitete sich Klade II (einst Affenpocken genannt) auch in der Schweiz und Europa. Insbesondere gab es damals viele Fälle bei Männern, die Sex mit Männern hatten. Eine Übertragung mit Klade II war sogar möglich, wenn beim Infizierten noch keine Symptome aufgetreten waren. Wie es mit der neuen Variante Klade Ib ist, weiss man derzeit noch nicht.
Erst vor 15 Monaten beendete die WHO die höchste Gefahrenstufe für die damalige Mpox-Epidemie. Warum alles nochmal?
2022 handelte es sich um die weltweite Epidemie mit den Mpox-Viren Klade II. Die WHO meldete damals eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite, ähnlich wie zuvor etwa bei der Covid-19-Pandemie 2020 oder der Ebola-Epidemie 2018. Die neue Beurteilung des aktuellen Mpox-Ausbruchs soll auf internationaler Ebene ein Warnsignal an das Gesundheitswesen, die Politik, die Pharmafirmen sowie auch den länderübergreifenden Verkehr sein. Bislang gibt es aber keinen Grund, eine Reise in die Sub-Sahara abzusagen. Wie immer ist jedoch wichtig, bekannte Hygienemassnahmen einzuhalten.
Vermutlich sind die Fallzahlen sogar noch viel höher und wir sehen momentan nur die Spitze des Eisbergs. Wichtig ist, dass man jetzt aber mit Vernunft handelt, indem man insbesondere den von der Epidemie betroffenen Ländern genug Impfstoffe zur Verfügung stellt, um ihnen bei der Bekämpfung des momentanen Ausbruchs zu helfen.
Muss man sich in Europa jetzt Sorgen machen?
Wir sollten wachsam sein, haben aber momentan keinen Anlass zur Panik. Dennoch braucht es jetzt auch für Europa unbedingt ein Monitoring. Das heisst, dass die Ärzte und Ärztinnen daran denken, die Proben an geeignete virologische Labors zu schicken, damit die neue Mpox-Variante überhaupt festgestellt und charakterisiert werden kann.
Es nützt niemandem etwas, aus der momentanen Situation ein globales Schreckgespenst zu machen. Vielmehr geht es darum, dass wir auch bei uns die Virusvariante auf dem Radar haben müssen. Zudem sollte man sich immer wieder bewusst machen, dass durch die hohe Mobilität unseres globalisierten Alltags es nicht allein ein Problem in Afrika ist.
Wirkt der bisherige Mpox-Impfstoff auch gegen die neue Variante Klade Ib?
Wir gehen davon aus, dass dieser ganz gut funktioniert. Die WHO setzt aufgrund der neuen Situation alles dran, Impfstoffe zu beschaffen. Die Europäische Union will sie dabei unterstützen. Für die Notfallvorsorge und -bewältigung plant sie 175'420 Dosen des Mpox-Impfstoffs des Herstellers Bavarian Nordic zu besorgen. Das Pharmaunternehmen wird weitere 40'000 Dosen spenden. Die Verteilung wird die Africa CDC entsprechend dem regionalen Bedarf übernehmen.
Das Gespräch führte Barbara Reye.