Neue Studie zur Covid-Impfung
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Wie gut schützt die Impfung vor Ansteckung und Übertragung?
Bisher ist unklar, wie gut eine Corona-Impfung vor Ansteckungen schützt. Noch weniger ist darüber bekannt, ob Geimpfte weniger ansteckend sind. Jetzt liefern Forschungsergebnisse aus Genf neue Erkenntnisse.
Autor:
Miriam Kull
21.09.2023, 10:59
Schon eine einzelne Covid-Impfdosis schütze vor schweren Krankheitsverläufen. Deshalb sollen sich auch diesen Herbst besonders gefährdete Personen impfen. Das empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eidgenössische Kommission für Impffragen. Für alle anderen Personen gilt diese Empfehlung nicht. Denn die Impfung schütze laut BAG zwar zuverlässig vor einer schweren Erkrankung, aber vor einer Infektion oder vor einer Übertragung nur bedingt.
Doch so eindeutig ist das nicht. Tatsächlich sind zwei grundlegende Fragen zum Impfschutz noch immer offen. Erstens: Wie gut schützt eine Impfung davor, sich anzustecken? Und zweitens: Sind Geimpfte weniger ansteckend? Eine im Fachmagazin «nature communications» publizierte Studie aus Genf liefert jetzt konkrete Zahlen – und gibt damit aufschlussreiche Antworten.
Wie gut schützt die Impfung vor Ansteckung?
Ein Team der Universität Genf und der Genfer Universitätskliniken hat Daten von mehr als 50'000 Covid-Infizierten und über 110'000 Kontaktpersonen untersucht. Die Daten stammen aus dem Zeitraum von Juni 2020 bis März 2022. Die Ergebnisse zeigen: Ohne Impfung stecken sich drei von zehn Personen, die mit SARS-CoV2 in Kontakt kommen, mit dem Virus an. Bei der Omikron-Variante sind es sogar vier von zehn.
Schutz vor Ansteckung: Erkenntnisse aus einem Gefängnis
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Die Hinweise darauf, dass Covid-Impfstoffe vor einer Ansteckung schützen, häufen sich. Damit sind aber längst nicht alle Fragen geklärt. Eine entscheidende Unklarheit etwa war bislang, ob die Impfung einen Alles-oder-Nichts-Schutz oder einen expositionsabhängigen («leaky») Schutz bietet. Nun legt eine Studie aus einem Gefängnis in Connecticut nahe, dass der Schutz tatsächlich «leaky» ist. Soll heissen, dass der Schutz von der Exposition abhängt – also davon, wie vielen Viren man ausgesetzt ist. Die Studie wurde kürzlich in «nature communications» veröffentlicht.
Dass die Studie mit Gefängnisinsassen durchgeführt wurde, ist kein Zufall. Denn so lässt sich die Virus-Exposition kategorisieren: Wer mit einem Covid-Infizierten in der gleichen Zelle sitzt, ist vielen Viren ausgesetzt – und hat damit eine hohe Exposition. Wer mit dem infizierten Insassen jedoch nur während Pausen und Mahlzeiten in Kontakt kommt, hat eine geringere Exposition. Das Forschungsteam hat die Impfwirkung beider Szenarien verglichen.
Die Studie legt den Schluss nahe, dass die Impfung nur bis zu einer bestimmten Exposition vor Ansteckungen schützt. Denn die Ergebnisse zeigen: Sitzt ein infizierter Insasse in der gleichen Zelle, schützt die Impfung nicht vor einer Ansteckung. Soll heissen, dass die Impfung bei hoher Exposition keinen Schutz bietet.
Anders, wenn die Insassen nur während Pausen in Kontakt kommen: Hier reduziert die Impfung das Ansteckungsrisiko um 30 Prozent. Bei geringer Exposition schützt die Impfung also davor, sich anzustecken – auch wenn nur bedingt.
Das Fazit der Autorenschaft deckt sich mit jenem der Forschenden aus Genf: Impfungen allein können die Virus-Verbreitung nicht stoppen. Besonders bei engen Kontakten braucht es Masken, Luftfilterung und Belüftung.
Anders, wenn alle Personen geimpft und/oder genesen sind: Hier kommt es zu deutlich weniger Ansteckungen. Gerade mal eine von zehn Personen steckt sich an. Die Zahlen aus Genf bestätigen dabei, was bereits beobachtet wurde: Der Schutz nach einer Infektion ist stärker als nach einer Impfung. Soll heissen, dass Genesene besser vor einer Ansteckung geschützt sind als Geimpfte. Das haben frühere Studien bereits mehrfach gezeigt: etwa eine im Fachmagazin Clinical Infectious Diseases veröffentlichte und eine im The New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie.
Immunität gegen Omikron
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Omikron konnte sich weltweit durchsetzen, weil es ansteckender war als die Varianten davor und die bis dahin erworbene Immunität umgehen konnte. In der Omikron-Infektionswelle zeigte sich laut der Genfer Studie ein recht deutlicher Unterschied zwischen der Immunität nach Infektion und der Immunität nach Impfung. Die Immunität nach Infektion schützte demnach deutlich besser vor einer Ansteckung. Eine Impfung führte dagegen sogar zu statistisch gesehen mehr Infektionen. Das Genfer Forschungsteam gibt zu bedenken, dass diese höheren Zahlen auch daher rühren können, dass sich Geimpfte möglicherweise auf ihren Impfschutz verlassen hätten und weniger strikt an Massnahmen wie Maskenempfehlungen und Abstand hielten. Die Studie spricht allerdings dafür, dass die Immunität nach Infektion mit vor-Omikron-Varianten breiter wirkte als die Immunität durch die Impfung, die zu der Zeit noch auf die Wuhan-Variante angepasst war.
Sind Geimpfte weniger ansteckend?
Völlig offen war bisher, ob geimpfte Personen weniger Virus-Übertragungen verursachen. Bisherige Studien zeigen gegensätzliche Ergebnisse: von keiner Wirkung bis hin zu einer deutlichen Verringerung der Übertragungen. Nun bringt die Genfer Studie Licht ins Dunkel. Der Erstautor der Studie, Denis Mongin, zieht Fazit: «Unsere Daten zeigen: Geimpfte sind weniger ansteckend.»
Das Genfer Forschungsteam beobachtet Folgendes: Im Vergleich zu Ungeimpften übertragen Geimpfte das Virus weniger häufig. Der Effekt ist laut Mongin «zwar klein, aber ziemlich klar». In Zahlen: Falls zwar die Infizierte, aber nicht deren Kontaktpersonen, geimpft ist, stecken sich zwei von zehn Personen an. Zum Vergleich: Wären alle Personen ungeimpft, würden sich je nach Virusvariante drei bis vier Personen anstecken.
Was die Genfer Studie einzigartig macht
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«Andere Studien dieser Art sind viel kleiner und realitätsferner», ordnet Delphine Courvoisier ein. Die Epidemiologin war an der Genfer Studie zum Covid-Impfschutz beteiligt. Ihr sei keine andere Studie bekannt, die solch umfassende Daten aus der «echten Welt» auf Ansteckungen und Übertragungen untersucht hat. So basiert etwa eine im «The Lancet Infectious Diseases» publizierte Studie aus Grossbritannien auf lediglich 471 Covid-Infizierten und 602 derer Kontaktpersonen. Im Vergleich zu den über 100'000 Personen der Genfer Studie stützt sich diese Studie aus Grossbritannien also auf eine deutlich kleinere Zahl Studienteilnehmender.
Ein weiterer Nachteil der Studie aus Grossbritannien: Sie erforderte von den Teilnehmenden Proben der Atemwege. Wer an der Studie teilnehmen will, muss diese Untersuchungen über sich ergehen lassen. Dazu ist nicht jede Person bereit. «Da besteht das Risiko, dass etwa Personen mit einer kritischen Haltung zum Virus nicht berücksichtigt werden», so Courvoisier. Deshalb habe sie in ihrer Studie auf Proben verzichtet und sich auf vorhandene Daten berufen: Das Testen und Deklarieren der Kontaktpersonen an die Behörden war im untersuchten Zeitraum obligatorisch. «Darum können wir bei unserer Studie davon ausgehen, dass die Daten die Gesamtbevölkerung ziemlich gut repräsentieren», ist Courvoisier überzeugt.
«Dass es bei Geimpften zu weniger Infektionen kommt, liegt aber hauptsächlich am Schutz vor Ansteckung», ordnet Delphine Courvoisier ein. Sie ist Epidemiologin, Assistenzprofessorin an der Universität Genf und war an der Studie beteiligt. Dass Geimpfte weniger ansteckend seien, spiele für die Verbreitung des Virus eine untergeordnete Rolle.
«Impfen allein reicht nicht»
«Unsere Zahlen zeigen einmal mehr, dass eine Impfung vor Ansteckung schützt», so Courvoisier. «Aber dieser Schutz ist eben nur bedingt.» Impfstoffe seien zwar immer noch nützlich, um Ansteckungen zu vermeiden – insbesondere für Pflegepersonal und besonders gefährdete Personen. «Im Falle einer neuen Welle jedoch», sagt die Epidemiologin, «müssen wir weitere Massnahmen wie Maskentragen und Belüftung von Innenräumen in Betracht ziehen.»
Korrektur-Hinweis
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In einer ersten Version dieses Artikels kam die Immunität nach Infektion nicht zur Sprache. Dies, obwohl die Immunität nach Infektion in der Genfer Studie untersucht und mit der Immunität nach Impfung verglichen wurde. Auf Rückmeldung aus dem Publikum hin haben wir den zweiten Absatz unter dem Zwischentitel «Wie gut schützt die Impfung vor Ansteckung?» angepasst. Um die Studienergebnisse vollständiger wiederzugeben, haben wir die Box «Immunität gegen Omikron» ergänzt.
Tagesschau, 11.9.23, 19:30 Uhr