Sie sollen Entzündungen hemmen, die Zellalterung aufschieben, den mangelhaften Tränenfilm trockener Augen regenerieren, vor Diabetes, Krebs und Herzerkrankungen schützen und sogar bei Depressionen und Schizophrenie helfen:
Im Verlauf vergangener Jahrzehnte wurde die Liste der positiven Auswirkungen, die den ungesättigten Omega 3-Fettsäuren nachgesagt werden, länger und länger.
Gesundes Fischfett
Den beiden dänischen Wissenschaftler Hans Olaf Bang und Jorn Dyerberg geriet Anfang der 70er Jahre ein Gesundheitsbericht aus Grönland in die Finger. Der besagte, dass Grönlands Einheimische nur selten einen Herzinfarkt erleiden würden.
Sie wollten es genauer wissen und untersuchten die Essgewohnheiten einer kleinen Gruppe von Fischern und Jägern und deren Frauen an der Westküste Gröndlands. Dabei stellten sie fest, dass sich dieses Naturvolk zum grössten Teil von Meertieren wie Robben und Walfischen ernährte. Frisches Gemüse oder Salat stand nicht auf ihrem Speisezettel.
Das Fett der Tiere enthält einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren wie Omega 3. Daraus schlussfolgerten Bang und Dyerberg, dass die gesunden Herzen der Grönländer eine Folge dieser Nahrung sein könnten. Ihre Forschungsergebnisse wurden 1971 in der anerkannten Fachzeitschrift «The Lancet» publiziert. Damit markierten sie unbewusst den Anfang eines unglaublichen Hypes: Omega 3-Fettsäuren waren fortan gut fürs Herz.
Kanadische Forscher haben jetzt das Ganze analysiert und dabei herausgefunden, dass erstens die Einheimischen Grönlands keineswegs weniger Herzerkrankungen erlitten und erleiden. Zweitens sei die Schlussfolgerung der Dänen, dass ungesättigte Omega-3-Fettsäuren fürs Herz gesund seien, offenkundig falsch. Denn Grönländer sterben sogar häufiger an Herzinfarkt und Hirnschlag und ihre Lebenserwartung ist zehn Jahre kürzer.
Viel hilft eben nicht viel
Im Verlauf der letzten gut 40 Jahre sind aber unzählige Studien zum Thema Omega-3-Fettsäuren und deren Benefit für die Gesundheit erschienen (die Kanadier wollen über 5000 Arbeiten überprüft haben), die alle auf die Arbeit von Bang und Dyerberg Bezug nahmen. Das heisst, sie alle sind davon ausgegangen, dass Inuit-Herzen dank der Ernährung gesünder seien.
Niemandem scheint es in den Sinn gekommen zu sein, diese Behauptung zu überprüfen. Vielleicht, weil der Bericht von Ban und Dyerberg durch die Publikation im renommierten «Lancet» als unantastbar erschien. Vielleicht aber auch einfach, weil es so ist, wie Francis Bacon so trefflich formulierte: «Man prefers to believe what he prefers to be true», der Mensch glaubt, was er für richtig hält. Heute jedenfalls schlucken Millionen Menschen täglich eine Fischölkapsel in der Hoffnung und im Glauben, sich Gutes zu tun.
Ob Fischölkapseln als Nahrungsergänzung tatsächlich einen gesundheitlichen Nutzen mit sich bringen, ist bis heute zwar mehrfach untersucht worden, aber ein einwandfreier, wissenschaftlicher Nachweis fehlt. Fest steht: «Hilft‘s nichts, so schadt‘s nichts» stimmt nicht. Zuviel Omega-3-Fettsäuren können unter anderem die Blutgerinnung stören und die Immunabwehr heruntersetzen. Als Nahrungsergänzung eingenommen, sind Omega-3-Fettsäuren somit wie ein Medikament zu betrachten: zu viel kann schaden!