«Um die nächste Pandemie zu verhindern, müssen wir besser zusammenarbeiten – das hat Covid-19 klar und deutlich gezeigt», sagt Jakob Zinsstag, Tierarzt und Professor für Epidemiologie am schweizerischen Tropen- und Public Health-Institute (Swiss TPH).
Zusammenarbeiten sollen gemäss Zinsstag nicht nur die verschiedenen Staaten. Vor allem sollen Humanmedizinerinnen und Tierärzte besser kooperieren. Das ist, auf den Punkt gebracht, «One Health» – eine Gesundheit.
Mensch, Tier und Umwelt als Einheit
Dahinter steckt die Idee, dass die Gesundheit von Mensch und Tier eng verbunden und stark mit den jeweiligen Ökosystemen verknüpft ist. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Zoonosen – Infektionskrankheiten, die von Tier auf Mensch übertragen werden – und umgekehrt.
Es ist an sich nichts Ungewöhnliches, dass Krankheitserreger von Tier zu Mensch überspringen. Schon in der Vergangenheit hat es das immer wieder gegeben.
Was sich in den vergangenen Jahren aber verändert hat, ist, dass solche Übersprünge häufiger werden. Ein Grund dafür ist, dass der Mensch immer mehr in die natürlichen Lebensräume von Tieren eindringt. Der Klimawandel beschleunigt Zoonosen zusätzlich. So steigt das Risiko für Pandemien.
Doch die Menschheit ist dieser Dynamik nicht hilflos ausgeliefert. Für viele Fachleute ist One Health der Ansatz, um die Entwicklung zu «drehen» und sich damit besser gegen künftige Pandemien zu wappnen.
So setzen internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO oder das Umweltprogramm der Vereinten Nationen künftig auf One Health. Auch an den Hochschulen etabliert sich der Ansatz: Die Universität Zürich hat diesen September als erste europäische Uni ein One Health-Institut gegründet.
One Health in der Praxis
Jakob Zinsstag vom Swiss TPH hat schon zu One Health geforscht und publiziert, als den Begriff noch kaum jemand kannte. Er gilt als Pionier auf dem Gebiet. In vielen Weltgegenden hat er One Health in die Praxis umgesetzt, aktuell zum Beispiel in Côte d’Ivoire, Westafrika. Dort will der Epidemiologe gemeinsam mit lokalen Partnern die Tollwut bekämpfen. Das innovative Projekt bringt Tier- und Humanmedizin zusammen und setzt dabei auf die Digitalisierung.
Aus zahlreichen anderen Projekten in Afrika, Asien oder Zentralamerika weiss Zinsstag, worauf es bei der Umsetzung ankommt: «Man muss die lokalen und nationalen Behörden und auch die Bevölkerung miteinbeziehen. Es geht darum herauszufinden, was die Menschen an einem bestimmten Ort brauchen.»
Bei seinem Tollwut-Projekt in Côte d’Ivoire etwa hat Zinsstag unzählige Akteure auf dem Radar: von Kontakten zu Ämtern und Behörden bis zur möglichen Skepsis, auf die das Programm stossen könnte.
Vision: eine UN-Konvention für Tierschutz
Zinsstag denkt in grossen Dimensionen. Er hat klare Vorstellungen, wo er ansetzen würde, um den One-Health-Ansatz konsequent anzuwenden. Etwa: die Massentierhaltung beschränken. «Aus epidemiologischer Sicht müssen wir davon wegkommen», sagt er. «Weiter brauchen wir integrierte Systeme, um die Überwachung von Tier- und Menschengesundheit zu koppeln.» Das sei Aufgabe der einzelnen Länder.
Zinsstags Vision ist eine UN-Konvention für einen besseren Tierschutz und deren Gesundheit. Es brauche einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, um die nächste Pandemie zu verhindern.