Kissling
Für Profis eine Herausforderung, für trainierte Amateure eine Tortur, für Gelegenheitsradler ein Ding der Unmöglichkeit: Die Königsetappe der Tour de Suisse führt über 182 Kilometer und 3855 Höhenmeter von Bellinzona nach Sarnen – via Gotthard, Furka, Grimsel und Brünig.
Dieser Herausforderung hat sich «Puls»-Arzt Thomas Kissling gestellt, allerdings nicht auf einem klassischen Rennrad, sondern auf einem potenten Elektrovelo. Immerhin galt es nicht nur, die Strecke an sich zu bewältigen, sondern dabei auch noch vor dem Feld der nach ihm startenden Tour de Suisse zu bleiben.
Ausnahmsweise wurden «Puls» die Messdaten des dort mitfahrenden Radprofis Martin Elmiger vom Schweizer Rennstall IAM Cycling zur Verfügung gestellt. Der Vergleich mit Kisslings Kurven sollte zeigen, was während dieses Vorhabens im Körper von Hobbyfahrer und Profi vorgeht.
Heftiger «E-Rückenwind»
Thomas Kissling erreichte das Ziel in Sarnen nach fünf Stunden und einer Minute und war damit sogar noch schneller als die Profis nach ihm! Die Auswertung der Messprotokolle zeigte, wieso:
- Wenig überraschend spielte die Zusatzleistung des E-Bikes die zentrale Rolle. Radprofi Elmiger brachte es aus eigener Kraft auf eine Durchschnittsleistung von 254 Watt, während Breitensportler Kissling immer noch beachtliche 137 Watt produzierte – zu denen sich aber rund 500 Watt Motorleistung aus total vier Akkuladungen hinzugesellten. Ein heftiger «E-Rückenwind»!
- Das Mehr an Leistung wirkte sich primär in den Steigungen aus, die per E-Bike trotz Mehrgewicht bei Fahrer und Material deutlich schneller bewältigt wurden als per Rennrad.
- Ihren Trumpf des ungleich höheren Abfahrtstempos (bis über 100 km/h) konnten die Profis wegen den schlechten Wetterbedingungen am Sonntag nur beschränkt ausspielen.
- Dass das Fahrertraining mehr umfasst als nur konditionelle Aspekte, zeigt der Blick auf die Effizienz der beiden Fahrer. So tritt Profi Elmiger beispielsweise mit einer deutlich höheren Kadenz in die Pedale als Kissling. «Das Fahren in einem tieferen Gang spart Kraft, stellt aber höhere Ansprüche an die Koordination», erklärt Marcello Albasini, Sportlicher Leiter von IAM Cycling. «Fehlt es an Kondition, ermüdet das für die Koordination zuständige zentrale Nervensystem schneller und man schaltet eher hoch, um langsamer treten zu können – was mehr Kraft braucht.»
- Kraftsparend wirkt sich auch das Fahren im Feld aus: Auf den Vorteil des Windschattens musste Thomas Kissling verzichten.
Auswertung
Summa summarum führten all diese Faktoren zu in einer deutlich weniger ökonomischen Fahrweise des «Puls»-Arztes, die sich am Verlauf seiner Pulsfrequenz unschwer ablesen liess: Kissling bewegte sich insgesamt rund 100 Minuten über dem vertretbaren Bereich. Viel zu lange und deutlich länger als der Radprofi, der nur für besondere Anstrengungen gezielt an seine Grenzen ging.
Dennoch: Mit einem potenten Elektrobike lassen sich all diese konditionellen und koordinativen Einschränkungen offensichtlich mehr als nur wettmachen und relativ mühelos Fahrleistungen auf professionellem Niveau erreichen – was den Ärger vieler Hobby-Rennradfahrer erklären mag, die am Ende einer giftigen Steigung von einem entspannten E-Biker überholt werden.
Ihnen zum Trost sei auf den letzten Punkt der Messung hingewiesen: Radprofi Martin Elmiger hat auf der Königsetappe doppelt so viele Kalorien verbraucht wie E-Biker Thomas Kissling mit seinen 2300 kcal. Das rein muskelbetriebene Zweirad ist somit nicht nur im Sport das Mass aller Dinge, sondern auch weiterhin das Gefährt der Wahl für alle, die abnehmen wollen.
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Bild 1 von 26. Vor dem Start. Thomas Kissling und seine Begleitcrew machen sich in Bellinzona bereit. Es ist regnerisch und kühl. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 26. Gleich geht es los. Thomas Kissling spricht sich im Startbereich mit Kameramann Christian Witschi und Töffpilot Ferenc Balgo ab, die ihn die kommenden Stunden bis nach Sarnen begleiten werden. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 26. Durchs menschenleere Bellinzona. Gut zweieinhalb Stunden vor dem Feld der Tour de Suisse nimmt Thomas Kissling auf seinem E-Bike die Königsetappe in Angriff. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 26. Auf dem Weg nach Airolo. Auf dem Flachstück geht es zügig voran. Die signalgelbe Bekleidung ist der einzige Farbtupfer an diesem trüben Sonntagmorgen. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 26. Erste Rast. 33 Kilometer nach dem Start in Bellinzona ist es Zeit für ein erste kurze Pause... Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 26. ...bei welcher das erste Mal der Akku gewechselt wird. Insgesamt wird Thomas Kissling auf den 182 Kilometern vier Akkuladungen verbrauchen. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 26. Die erste Herausforderung. Rechts hoch zum Gotthard – der erste Alpenpass auf der Strecke wartet auf seinen Bezwinger. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 26. Rustikaler Untergrund. Auf dem Weg zum Gotthard wechseln sich Asphalt und Kopfsteinpflaster ab, das jeden Radfahrer kräftig durchrüttelt. Bildquelle: SRF.
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Bild 9 von 26. Leistung an der Schneegrenze. Thomas Kissling kämpft sich die berühmten Spitzkehren der Tremola hoch, verfolgt vom SRF-Bus mit «Puls»-Redaktorin Martina Lichtsteiner und Tontechniker Remo Häberli. Bildquelle: SRF.
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Bild 10 von 26. Zirkusreif. Wer als Kameramann Radrennen begleitet, ist sich gewöhnt in ungewöhnlichen Positionen zu filmen. Stehend, rückwärts sitzend oder neben dem Motorrad hängend. Bildquelle: SRF.
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Bild 11 von 26. Normal sitzend mit der Kamera nach vorn zu zielen, ist da schon beinahe langweilig. Bildquelle: SRF.
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Bild 12 von 26. Die Passhöhe naht. Der Gotthard empfängt den «Puls»-Arzt auf den letzten Metern mit tief hängenden grauen Wolken. Die Rennfahrer sollten es später mit weit widrigeren Verhältnissen zu tun bekommen. Bildquelle: SRF.
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Bild 13 von 26. Furka-Passhöhe. Der zweite happige Pass ist bezwungen. Bildquelle: SRF.
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Bild 14 von 26. Richtung Rhonegletscher. Mit Tempo geht es am Hotel Belvédère vorbei – für eine Besichtigung der eisigen Sehenswürdigkeiten ist keine Zeit. Bildquelle: SRF.
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Bild 15 von 26. Auf dem Grimsel. Das Wetter hat sich noch kaum gebessert. Die meisten Radsportfans warten im Warmen auf den Renntross, der erst in ein paar Stunden eintreffen wird. Bildquelle: SRF.
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Bild 16 von 26. Fanarbeit. Gelegenheit für ein kurzes Gespräch samt Erinnerungsfoto, bevor ein weiterer Akkuwechsel ansteht. Bildquelle: SRF.
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Bild 17 von 26. Unterwegs nach Meiringen. Das Wetter hat etwas gebessert – es geht auch ohne Jacke. Bildquelle: SRF.
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Bild 18 von 26. Rotlicht. Die Baustelle am Brünig ist eine willkommene Gelegenheit zum kurzen Verschnaufen. Bildquelle: SRF.
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Bild 19 von 26. Hinunter in die Zentralschweiz. Radprofis erreichen auf solchen Abfahrten um die 100 km/h – weit mehr, als mit dem E-Bike möglich ist. Bildquelle: SRF.
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Bild 20 von 26. Zähes Schlussstück. Thomas Kissling kämpft trotz E-Unterstützung mit Krämpfen. Aber Aufgeben kommt nicht in Frage. Bildquelle: SRF.
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Bild 21 von 26. Nur noch drei Kilometer! Das Ziel rückt näher, die Strassen sind menschenleer. Bildquelle: SRF.
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Bild 22 von 26. Grosser Empfang. Schlussspurt vor einer grandiosen Zuschauerkulisse: Der «Puls»-Arzt wird vom Publikum lautstark angefeuert... Bildquelle: SRF.
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Bild 23 von 26. ...und von «Puls»-Moderatorin Corinne Waldmeier am Zielstrich begeistert empfangen. Bildquelle: SRF.
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Bild 24 von 26. Erschöpft, aber glücklich. «Puls»-Arzt Thomas Kissling schildert Moderatorin Corinne Waldmeier, wie es ihm unterwegs ergangen ist... Bildquelle: SRF.
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Bild 25 von 26. ...und freut sich auf die Massage! Bildquelle: SRF.
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Bild 26 von 26. ... Bildquelle: SRF.