Wussten Sie, dass der Begriff Protein aus dem griechischen Wort Proton für «das Wichtigste» abgeleitet ist? Wie gross die Relevanz von Eiweissen für unseren Körper ist, lässt sich an dieser Stelle also bereits erahnen.
Tatsächlich läuft ohne gar nichts. Protein ist essenzielles Baumaterial für Muskeln, Organe und Blut, beteiligt sich am Transport verschiedenster Enzyme und Hormone, spielt damit eine der Hauptrollen in unseren Stoffwechselprozessen – und soll diese, so die Meinung vieler (Hobby-)Ernährungsprofis, auch noch ankurbeln. Sprich: schlank machen.
Proteinreiche Lebensmittel gelten als gesund – was wohl auch an den Fitness-versprechenden High-Protein-Produkten liegt, die die Supermarkt-Regale fluten. Aber: Was können die Eiweiss-Bomben wirklich? Wir haben hingeschaut und nachgefragt.
Was bedeutet das überhaupt - «High Protein»?
Damit sich ein Produkt «High Protein» nennen darf, müssen mindestens 20 Prozent der Kalorien aus Eiweiss stammen. Dafür wird meist Milch-, Soja- oder Erbsenprotein zugesetzt. Das macht die meisten High-Protein-Produkte zu (hoch)verarbeiteten Lebensmitteln. Gesund? Eher nicht.
Wie viel Protein brauche ich?
Hier unterscheiden sich die Angaben je nach Studie, Forum und Experte. Folgt man der Empfehlung des BLV, sind es 0,8 Gramm Eiweiss pro Kilo Körpergewicht. «Ja, es gibt diesen Richtwert. Die optimale Eiweisszufuhr ist wissenschaftlich aber nicht genau geklärt», so Philipp Schütz, Facharzt für Innere Medizin am Kantonsspital Aarau. Es gebe keine Studien, die das analysiert hätten. Warum? «Weil der Eiweissbedarf sehr individuell ist.»
Je nachdem, welchen Stoffwechsel eine Person hat, ob sie viel oder wenig Sport macht, kann sich die Empfehlung sehr unterscheiden. Für Seniorinnen, Kinder, Schwangere oder Stillende gelten die 0,8 Gramm ohnehin nicht.
«Das Problem ist auch die Normierung der Studien», meint Ernährungswissenschaftler Jürg Hösli. In wissenschaftlichen Arbeiten macht sie Sinn, für Einzelpersonen weniger. «Beim Nährstoffbedarf sollten immer auch genetische, biologische und psychologische Faktoren miteinbezogen werden.»
Stress etwa werde häufig ausgeblendet: «Mehr Stress heisst mehr Entzündungsgeschehen im Körper. Das führt zu einer erhöhten Verstoffwechselung von Eiweiss. Einfach gesagt: Stress frisst Protein.»
Machen die Produkte schlank?
«Nicht automatisch. Eiweiss hält uns zwar länger satt als das kurzkettige Kohlenhydrate tun. Aber wenn wir zu viel davon essen, geht unser Körpergewicht genauso nach oben, wie bei zu viel Glace oder Pommes», so Jürg Hösli. Ausserdem wachsen Muskeln nicht einfach durchs Riegel-Snacken. Überraschung!
Ist ein Protein-Riegel gesünder als ein normaler Schoggiriegel?
Nein. Oft enthalten diese als gesunde Alternativen beworbenen Produkte zwar weniger Zucker, Fett und Energie, dafür aber viele Zusatzstoffe, Süssungsmittel, Aromen und Bindemittel.
Auch bei Produkten wie Käse oder Fleisch, die von Natur aus eiweissreich sind und als «High Protein» beworben werden, heisst es wachsam sein: In ihnen steckt oft nicht mehr Protein als in herkömmlichen Produkten.
Beim nächsten Einkauf also schnell an den Regalen vorbeigehen? «Unsere Natur hat genug proteinhaltige Lebensmittel auf Lager, die unverarbeitet sind. High-Protein-Produkte braucht's nicht. Den meisten schaden sie aber auch nicht», so Jürg Hösli.