«Heute würde ich es anders machen», sagt Urs Willen. Vor 40 Jahren hat sich der heute 78-Jährige sterilisieren lassen. Damals steckte er inmitten der Scheidung von seiner ersten Frau. «Ich hatte zwar zwei tolle Kinder, mit meiner damaligen Frau hatte ich mich aber komplett auseinandergelebt», erinnert Urs Willen sich an die schwierige Zeit zurück: «Ich fühlte mich als Versager und hatte die Nase voll.» Nochmals wollte er eine solche Situation nicht erleben und entschied sich deshalb für die Vasektomie und liess sich beide Samenleiter durchtrennen. Nach einem solchen Eingriff gelangen keine Spermien mehr in die Samenflüssigkeit.
Kinderwunsch trotz Sterilisation
Doch das Leben steckt bekanntlich voller Überraschungen. Zehn Jahre nach dem Eingriff lernt Urs Willen seine heutige Partnerin kennen: «Es hat mir unerwartet total den Ärmel reingezogen.» Bei beiden kommt rasch auch der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind auf.
«Es war nicht eine richtige Enttäuschung, die bei meiner Partnerin aufkam, als sie von der Sterilisation erfahren hat», beschreibt Urs Willen die Situation, «es war aber schlicht eine Realität, die in die Beziehung mit einfloss.» Eine Adoption oder künstliche Befruchtung kam für beide nicht infrage. Urs Willen entschied sich für die operative Umkehr der Sterilisation.
Mikrochirurgischer Präzisionseingriff
Am Universitätsspital Zürich ist Urologin Manuela Hunziker auf solche Eingriffe spezialisiert: «Etwa sechs bis zehn Prozent der unterbundenen Männer wünschen sich später eine solche Rückverlegung.» Und die Chancen stünden gar nicht mal so schlecht: Ein Spermiennachweis gelinge in 85 bis 95 Prozent der Fälle und etwa bei der Hälfte der Paare komme es zu einem späteren Zeitpunkt auch zu einer Schwangerschaft. Je länger die Vasektomie allerdings zurückliege, desto geringer seien die Chancen, dass es auch tatsächlich funktioniere. Zehn bis 15 Jahre gelten als Schwellenwert.
Die Refertilisierung – medizinisch Vaso-Vasostomie genannt – wird unter Vollnarkose durchgeführt und dauert zwei bis drei Stunden. Im Vergleich zur Vasektomie dauert der Eingriff länger und ist komplizierter.
«Als Mikrochirurgin lege ich die Samenleiter wieder frei, schneide die verödeten Stellen zurück und setze die Enden wieder zusammen», beschreibt Manuela Hunziker ihre Präzisionsarbeit, «genäht wird mit Fäden, die ein Fünftel so dick sind wie ein menschliches Haar». Neben dem Mikroskop brauche es vor allem eine ruhige Hand. Da dürfe sie sich auch keinen Kaffee vor dem Eingriff gönnen.
Dank Refertilisierung erneut zum Elternglück
Bei Urs Willen und seiner heutigen Frau hat alles nach Wunsch geklappt. Die gemeinsame Tochter ist in der Zwischenzeit 26 Jahre alt. «Dass Männer Verantwortung bei der Schwangerschaftsverhütung übernehmen, finde ich gut», sagt der 78-Jährige, «aber es gibt noch andere Methoden».
Rückblickend würde der Berner die Sterilisation jungen Männern nicht empfehlen: «Auf gut Berndeutsch ‘schnurrt man der Natur rein’ und jedem, der erst 30 Jahre alt ist und zwei Kinder hat, kann das gleiche, wie mir passieren.» Die Vasektomie sei ein Eingriff in eine mögliche Zukunft. Die Refertilisierung hingegen, würde er sofort wieder machen.