Darum geht’s: Die Mitgliedstaaten der WHO (World Health Organization) stecken gerade in einem zweiwöchigen Marathon. Mit dem Ziel, sich über einen internationalen Pandemievertrag zu einigen. Der Vertrag ist eine Reaktion auf die Coronapandemie und den weltweit divergierenden Umgang damit.
Die Idee hinter dem Pandemievertrag: Die COVID-19-Pandemie deckte Schwachstellen im globalen Gesundheitssystem auf. Einige Länder beschlossen im Alleingang Reisebeschränkungen oder Eindämmungsmassnahmen. Und während vielerorts bereits die zweite oder dritte Schutzimpfung verabreicht wurde, warteten ärmere Länder noch auf die erste. Daraus will man Lehren ziehen. Eine neue Vereinbarung soll die Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien weltweit regeln. Dabei geht es um Frühwarnsysteme, stabilere Lieferketten, Impfstoffe, Tests und Medikamente. Aber auch um den Zugang zu Wissen und Know-how.
Das Vorgehen: Die Ausarbeitung des Pandemieabkommens liegt beim sogenannten Intergovernmental Negotiating Body (INB). Dieses von den WHO-Staaten geführte Gremium wurde im Dezember 2021 eingerichtet. Nach zahlreichen Verhandlungsrunden entstand im Herbst 2023 der erste, 30 Seiten lange Entwurf. Nun soll das INB eine endgültige Version ausarbeiten und an der WHO-Jahrestagung Ende Mai 2024 vorlegen.
Die Position der Schweiz: Wie alle 194 WHO-Mitgliedsstaaten ist auch die Schweiz Teil des Verhandlungsgremiums INB. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vertritt die Schweiz in diesem Prozess und befürwortet das Vorhaben bereits seit Beginn. Nach der Verabschiedung des Pandemievertrages entscheidet jedes Land selbst, ob es diesen unterzeichnen und ratifizieren will. So auch die Schweiz – sie wird ihren Entscheid nach Abschluss der Verhandlungen im Parlament diskutieren.
Der Vertragsentwurf: Im aktuellen Entwurf ist viel von «sollen», «fördern» und «unterstützen» die Rede. Konkrete Zahlen oder Prozesse werden kaum benannt. Eine Ausnahme stellt hier das sogenannte Pathogen Access and Benefit Sharing, kurz PABS, dar. Dieses soll gewährleisten, dass Proben von Krankheitserregern weltweit ausgetauscht werden. Und: Dass die mithilfe dieser Erregerproben entwickelten Impfstoffe oder Medikamente gerecht verteilt werden. Konkret heisst das für Pharmaunternehmen, dass sie eine Gegenleistung für Informationen wie Erbgutsequenzen von Virenstämmen erbringen müssen. Für den Aufbau des PABS-Systems sollen die Unternehmen bereits jetzt Gebühren bezahlen. Sollte es zu einer Pandemie kommen und auf Basis der Erregerproben Impfstoffe oder Medikamente entstehen, soll zudem gelten: Zehn Prozent der Produktion geht gratis an die WHO. Weitere zehn Prozent zu einem verringerten Preis. Diese Abgaben sollen eine gerechtere Verteilung der Produkte sichern.
Die Souveränität der Staaten: Kritikerinnen und Kritiker behaupten, dass Länder mit dem Pandemieabkommen ihre Souveränität an die WHO abtreten. Das, obwohl Artikel 3 des aktuellen Vertragsentwurfs deren Souveränität bestärkt. Dass die WHO eine Impfpflicht, Reisebeschränkungen oder Lockdowns verhängen kann, schliesst der aktuelle Entwurf explizit aus. Und auch das BAG versichert, dass die Schweiz weiterhin souverän über die eigene Gesundheitspolitik und Massnahmen im Pandemiefall entscheiden werde.