Pierre Bonenberger schämt sich. Nach einer schweren Operation hatte er sich dem Spitalpersonal gegenüber mehrere Tage so danebenbenommen, dass er sich selber nicht wiedererkannte. «Eine Pflegefachfrau habe ich derart beschimpft, wie ich es normalerweise nie tun würde!».
Er befürchtete, dass da ein «zweites Ich» zum Vorschein gekommen sei, eine dunkle Seite, von der er nichts gewusst habe. Erst im Gespräch mit dem Pflegewissenschaftler und Delir-Spezialisten Wolfgang Hasemann vom Universitätsspital Basel lernte er zu akzeptieren, dass es ein Infekt war, der sein Gehirn hatte «verrückt» spielen lassen. Am Schamgefühl änderte nichts.
Bei Pierre Bonenberger normalisierte sich der Zustand nach ein paar Tagen von alleine wieder. Das läuft nicht immer so glimpflich ab.
Veränderungen im Gehirn
Bis vor wenigen Jahren wurde ein Delir bei Patienten im Spital als normale Verwirrtheit abgetan, hervorgerufen durch die oft bedrohlich empfundenen Situation, die ein Spitalaufenthalt mit sich bringt. Heute weiss man, dass noch nicht ausgereifte oder bereits etwas geschwächte Gehirne – also vor allem solche von Kindern oder älteren Menschen – für Delire anfällig sind.
Botenstoffe können Nervenzellen verändern und im Gehirn ein Chaos entstehen lassen. Bekannte Auslöser sind Alkohol- oder Medikamenten-Entzug, Infektionen (zum Beispiel der Blase), Narkosemittel, Ängste oder auch Schmerzen.
Das Heimtückische daran: Wird das Delir als solches nicht erkannt und behandelt, kann es zu bleibenden Veränderungen im Hirn führen. Dies wiederum kann weitreichende Folgen haben, etwa wenn eine nötige Reha nicht angetreten werden kann. Längerfristig zeigen sich eine erhöhte Mortalitätsrate, Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Stürze sowie allgemeine Verschlechterungen der Alltagsfunktionen.
Wichtig zu behandeln, schwierig zu erkennen
Die Erkennung eines Delirs ist nicht einfach. Besonders die im Alter häufige hypoaktive Form, die durch reduzierte Aktivität und Verlangsamung geprägt ist, wird oft übersehen oder als Depression verkannt. Auch die Abgrenzung zur Demenz ist oft schwierig.
In der Schweiz bemühen sich verschiedene Spitäler mit eigens entwickelten Delir-Konzepten, Risikopatienten möglichst frühzeitig als solche zu erkennen. Liegt dann ein Delir vor, gilt es, die Ursache herauszufinden und den Patienten entsprechend zu behandeln.
Manchmal können Medikamente helfen. Wichtig aber ist es, den verwirrten Patienten Orientierungshilfen anzubieten, sodass sie sich nicht ihrer Verwirrtheit verlieren. Dazu reichen einfache Dinge wie Fotos von Angehörigen oder Haustieren.