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Aussergewöhnliche Forschung Bier-Studie an Basler Unispital: Mit Weizenbräu gegen Delirium

  • Auf der Intensivstation des Basler Unispitals wird in einer Studie Patientinnen und Patienten Weizenbier per Magensonde verabreicht.
  • Ärztinnen und Ärzte hoffen, dass mit dieser Methode ein sogenanntes Delir verhindert werden kann.
  • Dieser Zustand der Verwirrtheit tritt bei vielen Intensivpatienten auf. Möglicher Grund: eine Alkohol-Abstinenz.

Bier per Magensonde an Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation zu verabreichen, um einen Delir-Zustand zu verhindern – eine Bieridee? Nein! Martin Siegemund, Chefarzt der Intensivstation, meint es ernst. Denn ein Delirzustand ist gefährlich und belastend.

«Der Patient ist verwirrt. Er weiss nicht mehr, wo er ist, meint zum Beispiel, er sei in Paris oder möchte seine Kinder sehen, obwohl er gar keine hat.» Auch für das Pflegepersonal und Angehörige ist ein solcher Zustand eine grosse Herausforderung. Dem Personal bleibe kaum eine Möglichkeit, ausser gut auf die Patienten einzureden. Verhindern könne man ein Delir damit aber nicht.

Siegmund beim Interview
Legende: Martin Siegemund, Chefarzt der Intensivstation am Basler Unispital, leitet die Studie. SRF

Deshalb geht Siegemund einen Schritt weiter und greift zu einer ungewöhnlichen Methode. In einer Studie erhalten zufällig ausgewählte Patientinnen und Patienten jeden Abend sechs Tage lang einen halben Liter Weizenbier über eine Magensonde verabreicht. Andere Patienten erhalten nur Wasser. So kann man die beiden Gruppen vergleichen.

Ein Bier am Abend – für viele eine Gewohnheit

Die Vermutung: Ein Bier oder ein Glas Wein am Abend sind sich viele Menschen im normalen Tagesablauf gewohnt. «Eine mögliche Ursache für ein Delir ist Alkohol, den die Patienten regelmässig in sehr kleinen Mengen konsumieren. Wenn sie den bei uns nicht mehr bekommen, werden sie anfälliger für ein Delirium.»

Bier im Glas
Legende: Jeden Tag einen halben Liter Weizenbier – nicht im Glas, sondern per Magensonde. Keystone/Thomas Kienzle

Stellt sich die Frage: Jeden Abend einen halben Liter Bier für Patienten, die zum Teil nicht bei Bewusstsein sind – ist dies nicht problematisch? «Doch», sagt Siegemund.

Es sei aber grundsätzlich ein Problem, dass man ohne Einwilligung des Patienten keine Forschung machen könne. «Intensivpatienten können wir in seltenen Fällen fragen, weil sie oft notfallmässig zu uns kommen. Deshalb gibt es im Forschungsgesetz einen Paragrafen, der uns eine solche Studie erlaubt.»

Klar ist jedoch, dass man gewisse Patientinnen und Patienten ausschliesst. Zum Beispiel Schwangere oder Personen, die früher ein Alkoholproblem hatten oder aus religiösen Gründen keinen Alkohol konsumieren dürfen – falls dies so in den Krankenakten vermerkt ist.

Hasemann im Interview
Legende: Bier gegen Delir? Experte Wolfgang Hasemann ist skeptisch. SRF

Rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation sind von einem Delir betroffen. Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten dagegen gibt es kaum. Deshalb wird die Studie in Basel von Fachleuten mit Interesse verfolgt.

Experten skeptisch

Wolfgang Hasemann, Leiter des Basler Demenz-Delir-Programms am Felix-Platter-Spital, verfolgt das Experiment mit Interesse: «Die Studie ist sehr interessant und ich bin auf das Ergebnis gespannt, weil es eine Wissenslücke füllt. Wir wissen nicht, wie Alkohol beim Delir wirkt.» Er sei jedoch auch skeptisch, betont Hasemann.

Die Ergebnisse werden uns zeigen, wer recht hat: die Studie oder meine Skepsis.
Autor: Wolfgang Hasemann Leiter Basler Demenz-Delir-Programm Felix-Platter-Spital

Alkohol könne nämlich auch Delir-fördernd sein. Zudem sei es sinnvoller, eine Studie nur mit Patientinnen und Patienten zu machen, von denen man weiss, dass sie ein Alkoholproblem haben. «Aber die Ergebnisse werden uns zeigen, wer recht hat: die Studie oder meine Skepsis», sagt der Delir-Spezialist.

Die Studie am Basler Unispital dauert voraussichtlich noch bis 2027. Erste Resultate sind frühestens in einem Jahr zu erwarten.

Regional Diagonal, 2.11.24 12:03 Uhr ; 

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