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Vorsicht, Kostenfalle! Augen auf bei der Operation des Grauen Stars

Wer sich bei der kassenpflichtigen Katarakt-Operation für Techniken und Speziallinsen entscheidet, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, muss schnell tief in die eigene Tasche greifen.

Als Peter Hunziker sich beim Augenarzt bezüglich einer Katarakt-Operation beraten lässt, muss er ein paar Mal leer schlucken. 2000 Franken pro Auge soll er für die Operation zahlen. Die hohen Kosten bereiten ihm Kopfzerbrechen – bis ihm die Praxisassistentin bei der Terminvereinbarung verrät: Es geht auch anders, nämlich ohne Laser. Dann wird die Operation vollständig von der Krankenkasse übernommen.  

Zusatzleistungen können ins Geld gehen

Was Peter Hunziker erlebt hat, ist ein Beispiel dafür, dass die Katarakt-Operation teuer werden kann. Eigentlich würde sie von der Krankenkasse übernommen. Es sind die Zusatzleistungen, die teuer sind und aus der eigenen Tasche bezahlt werden müssen. 

Das bestätigen die vielen Rechnungen zur Grauen-Star-Operation, die SRF nach einem Aufruf geschickt wurden.

Ein Stapel Rechnungskopien
Legende: Von «Puls»-Zuschauerinnen und -Zuschauern an SRF weitergeleitete Rechnungskopien. SRF

Auffallend bei der gemeinsamen Analyse der eingeschickten Rechnungen ist: Vielen war die Rechnung, die sie erhalten hatten, unklar. Einige konnten Nachfragen zu ihrer Operation nicht beantworten. Sie wussten zum Beispiel nicht, welche Kunstlinse ihnen eingesetzt worden war oder ob sie tatsächlich mit dem Laser operiert worden waren.

  • Das zeigt erstens, dass viele Patientinnen und Patienten sich im Vorfeld besser über die Operation und die Entscheide, die sie dafür treffen müssen, informieren sollten. 
  • Zweitens wird zu wenig hinterfragt, ob eine Zusatzleistung wirklich nötig ist.
  • Und drittens vergleicht niemand die Preise für die Zusatzleistungen. Schweizer Patientinnen und Patienten sind es gewohnt, dem Rat des Arztes zu folgen, ohne ihn zu hinterfragen. 

Warum die Sicht plötzlich neblig wird

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grauer star
Legende: srf

Beim Grauen Star trübt sich die normalerweise klare Augenlinse. Ist diese jung und gesund, bricht sie das einfallende Licht präzise auf unsere Netzhaut. Mit der Zeit trüben feinste Kristalle die ursprünglich glasklare Linse. Das Licht wird gestreut statt gebündelt, die Sicht verschwommen und neblig. Es gibt nur einen Weg, einen Grauen Star zu beheben: Die trübe Linse muss entfernt und durch eine künstliche Linse ersetzt werden.

Diese Haltung kann teuer werden. Gerade bei der Operationsmethode des Grauen Stars. Die Laser-Methode kostet viel Geld: je nach Anbieter zwischen 600 und 2000 Franken pro Auge.

Laser ist nicht besser, aber teurer

Viele Augenchirurginnen und -chirurgen preisen auf ihren Websites die Laser-Methode an. Zum Beispiel als «neueste» und «sicherste» Methode, die «präziser» und «sanfter» sei. Laien wird so vermittelt, dass die Laser-Methode die bessere Wahl ist. Das stimmt so nicht, bestätigt Christoph Kniestedt, Präsident der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft. Als Goldstandard gilt nach wie vor die manuelle Operation.

Am Kantonsspital Luzern hingegen vertritt man die Haltung, dass der Laser durchaus Vorteile bietet. Michael Thiel ist dort Chefarzt der Augenklinik und erklärt: «Also ich glaube, der Laser muss ein gutes Argument haben. Es gibt so zwei, drei Situationen, in denen Patienten davon profitieren. Zum Beispiel, wenn man eine Speziallinse einsetzen will (…), eine Hornhautverkrümmung korrigiert werden soll oder – was eher selten vorkommt – das Auge aufgrund einer Erkrankung geschont werden muss.»

Tatsächlich gibt es Studien, die auf mögliche Vorteile des Lasers hinweisen. Einige schwere Hornhauterkrankungen könnten vielleicht profitieren. Diese Erkrankungen sind allerdings selten. Und nicht alle dieser Studien sind unabhängig.

Übersichtsstudien belegen keinen Vorteil durch den Femto-Laser. Auch nicht, wenn eine Speziallinse implantiert wird. Und auch diverse Leitlinien empfehlen als goldenen Weg die manuelle Operation – für alle Linsentypen. Das Inselspital Bern bietet die Laser-Methode deshalb gar nicht erst an.

Fazit: Die manuelle Operation liefert in Bezug auf Sehstärke und Lebensqualität gleich gute Ergebnisse wie die Laser-Methode – ist aber deutlich kostengünstiger. Peter Hunziker hat sich denn auch für die manuelle Operation entschieden und ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Studien zum Thema

Die zweite Kostenfalle bei der Grauen-Star-Operation lauert bei den Kunstlinsen, die eingesetzt werden, nachdem die eigene, trübe Linse entfernt wurde. Das Stichwort hier ist die sogenannte «asphärische Linse».

Zuschlag auf asphärische Linsen

Die Linse, die von der Krankenkasse als Standard übernommen wird, ist die sogenannte sphärische, monofokale Linse. Der Patient kann wählen, ob er mit der Linse in die Nähe oder in die Weite scharf sehen will. Diese Linse wird schon seit langer Zeit eingesetzt, und die Betroffenen sind zufrieden damit.

Als Alternative gibt es die asphärische Linse. Sie bietet dieselben Leistungen wie die sphärische, ist aber anders geformt und bietet darum eine noch schärfere Sicht am Rand des Sichtfelds. Sie gilt theoretisch als Speziallinse, weil sie mehr bietet als medizinisch notwendig.

Praktisch wird die asphärische Linse heute von vielen Augenärztinnen und -ärzten als Standardlinse eingesetzt und über die Krankenkasse abgerechnet. Der Grund: Sie kostet im Einkauf ähnlich viel wie die sphärische und braucht nur selten eine spezielle Augenvermessung.

Aber Achtung! Wie die Rechnungen, die SRF vorliegen, belegen: Sehr viele Ärzte verlangen für die asphärische Linse einen Selbstzahler-Zuschlag. Meistens liegt der Betrag um 350 Franken, manchmal sogar um 500 Franken. Für Fachpersonen, die keinen Aufpreis verlangen, ist das kaum nachvollziehbar. 

Bei «Puls»-Zuschauerin Silvia Fischer, deren Mann 360 Franken pro Linse bezahlt hat, kommt dieser Zuschlag nicht gut an: «Es ist wirklich übel, was da die Augenärzte machen.» Und ein anderer Zuschauer, der 460 Franken pro Linse bezahlt hat, meint: «Es ging um mein Auge, da hätte ich auch 600 bezahlt. Ich habe meinem Arzt vertraut und war ja auch gut beraten, aber dass es solche Preisunterschiede gibt, habe ich erst jetzt erfahren.»

Eine versteckte Beratungsgebühr

Die Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft rechtfertigt den Zuschlag auf die asphärische Linse mit dem Prinzip der freien Marktwirtschaft ausserhalb des KVG. Und erklärt, dass dieser Zuschlag eigentlich eine Gebühr für eine über die Jahre aufwendig gewordene Beratung für Speziallinsen sei.

Auf den Rechnungen steht allerdings nicht «Beratungsgebühr». Der Kunde weiss also nicht, wofür er wirklich bezahlt. Das soll sich in Zukunft ändern: Die SOG-SSO rät ihren Mitgliedern neu, den Zuschlag als Beratungsgebühr zu bezeichnen. Da aber gerade für die asphärische Linse selten eine besondere Beratung nötig ist, wie mehrere Fachpersonen bestätigen, ist eine Beratungsgebühr eigentlich nur für die anderen Speziallinsen nötig.

Klar ist: Egal, wie der Zuschlag bezeichnet wird, illegal ist er nicht. Wer ihn nicht bezahlen will, sollte sich vor dem ersten Termin in der Praxis erkundigen, ob bei den asphärischen Linsen zusätzliche Kosten anfallen. 

Am besten fragt man auch gleich, ob es eine Preisliste für alle Linsen gibt. Diese Preislisten sind sehr aufschlussreich.

Preislisten mit «Luxuspaket» und Pralinés

Häufig werden den Patientinnen und Patienten Preislisten in die Hand gedrückt. Mehrere dieser Listen wurden der Redaktion zur Ansicht geschickt.

Wer eine solche Liste in der Hand hält und ein «Basic-Angebot» sieht, das bereits einen Zuschlag enthält, sollte in der Praxis gut nachfragen, was das heisst. «Basic» könnte in dem Fall bedeuten, dass keine Linse angeboten wird, die von der Krankenkasse übernommen wird. Eine «Puls»-Zuschauerin hat genau das erlebt.

Häufig jonglieren diese Preislisten auch mit Begriffen wie «Komfort», «Premium», «Luxus» und «Chefarzt». Oder versprechen zum Kaffee noch Pralinés. Doch diese Begriffe beschreiben nicht die Leistungen der Linsen, sondern bedienen die Erwartungshaltung «je teurer, desto besser». Genau das trifft aber nicht unbedingt zu.

Die teuerste Linse ist nicht die beste

Zwei Fragen sind bei der Linsenwahl wichtig:

  1. Welche Linse brauche ich wirklich?
  2. Was will ich dafür ausgeben?

Grundsätzlich gilt: Wer keine Brille mehr will, muss tiefer in die Tasche greifen. Kommt eine Hornhautverkrümmung dazu, wird der Betrag noch höher.

Mögliche Speziallinsen

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Verschiedene Linsen
Legende: srf
  • Die Monofokal-Plus-Linse bietet zusätzliche Sicht in die mittlere Entfernung. Man bekommt sie für durchschnittlich 800 Franken pro Linse.
  • Die torische Linse wird bei einer Hornhautverkrümmung eingesetzt, falls man für die Ferne oder Nähe keine Brille mehr will. Die Linse muss auf das Auge angepasst und bestellt werden. Durchschnittspreis: etwa 1200 Franken.
  • Die multifokale Linse bietet scharfe Sicht auf mehrere Distanzen. Sie ist jedoch nicht für jeden geeignet und gewöhnungsbedürftig. Rund 2300 Franken pro Linse.
  • Ist die multifokale Linse auch noch torisch, begegnen einem Preise von bis zu 3000 Franken.

Viele Augenärzte und -ärztinnen raten aber von der multifokalen Linse ab. So auch Justus Garweg, Augenchirurg und Professor an der Universität Bern. Zum einen seien viele mit der Sicht nach der Operation nicht zufrieden. Zum anderen können multifokale Linsen später zum Problem werden – etwa, wenn im Alter eine weitere Erkrankung wie eine Makuladegeneration hinzukommt.   

Wer sich für eine Speziallinse entschieden hat, sollte unbedingt die Preise verschiedener Anbieter vergleichen. Denn nicht überall sind sie gleich teuer. Die Endpreise variieren von Arzt zu Ärztin. Das zeigen auch die Rechnungen.

Fazit: Es bleibt den Patientinnen und Patienten nichts anderes übrig, als sich schon vor der Operation selbst über die Linsen zu informieren und ihre Preise bei verschiedenen Praxen nachzufragen.

Ich bin vorsichtiger geworden und sage nicht mehr zu allem Ja.
Autor: René Fischer Katarakt-Patient

Die meisten haben durch die Analyse ihrer Rechnung für die Katarakt-Operation viel gelernt. «Ich würde das nächste Mal ganz sicher eine Zweitmeinung einholen. Ich bin vorsichtiger geworden und sage nicht mehr zu allem Ja», meint René Fischer. Und seine Frau Silvia Fischer fügt an: «Man muss den Mut haben, mehr zu hinterfragen. Das Teuerste ist nicht immer das Beste. Man nimmt schnell mal die Luxusvariante, wenn man es sich leisten kann.» 

Diese Aha-Momente sollten sich alle Schweizer Patientinnen und Patienten zu Herzen nehmen. Nicht nur bei der Katarakt-Operation.

Puls, 14.4.2025, 21:05 Uhr;brus

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