«Das Eindrücklichste ist diese Hochebene, von der aus ich in alle Richtungen blicken kann. Rundherum ist es einfach flach – eine unglaubliche Weite. Wenn ich morgens um zwei Uhr in der Früh bei minus 40 Grad vors Zelt gehe, dann bin ich allein da draussen. Es steht die Sonne am Himmel, diese endlose Weite und alles in Weiss. Das ist fantastisch! Aber in zwei Minuten bin ich wieder zurück im warmen Schlafsack.
Ich schlafe in einem der Zelte, das ich mit Kollegen teile. Im Zelt steht ein Ofen und es ist auch eine Elektroheizung installiert – es ist also angenehm warm. Also jetzt nicht gerade 25 Grad, aber schon so 10 Grad.
Es ist ein luxuriöses Leben für antarktische Verhältnisse. Die Station verfügt über eine Dusche, Toiletten und sogar eine Waschmaschine. Zwei Generatoren liefern etwa 50 Kilowatt Elektrizität. Wir brauchen den Strom für die Bohrung und um weitere Forschungsgeräte zu betreiben. Wir brauchen ihn aber auch für ein einigermassen komfortables Leben im Eis.
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Bild 1 von 8. Diesen Ausblick geniesst der Berner Klimaforscher Fortunat Joos, wenn er vors Schlafzelt tritt. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
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Bild 2 von 8. Normalerweise sitzt er vor dem Computer und arbeitet – auch für den Weltklimarat – an komplizierten Klimamodellen. Jetzt ist er in die Antarktis gereist, um zu neuen Daten zu kommen. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
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Bild 3 von 8. In diesem Zelt schläft Joos während des Aufenthalts im ewigen Eis. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
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Bild 4 von 8. Ganz komfortable Toiletten für antarktische Verhältnisse. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
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Bild 5 von 8. Wer kalte Finger und Hände bekommt, geht sich im Aufenthaltszelt aufwärmen. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
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Bild 6 von 8. Auch weit weg von jeglicher Zivilisation gibt's mal Pizza. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
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Bild 7 von 8. Sie alle packten mit an, damit noch ältere Eisbohrkerne aus der Tiefe geholt werden konnten. Bildquelle: Scoto, PNRA / IPEV.
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Bild 8 von 8. Hier am Standprt «Little Dome C» arbeiten die Forschenden. Die Suche nach dem geeigneten Standort dauerte drei Jahre. Denn Eis fliesst, und ganz altes Eis ist nur an bestimmten Stellen zu finden. Bildquelle: Fortunat Joos, Universität Bern,French & Italian Polar Institutes.
Die Station ist im Inland angesiedelt, auf einer Höhe von 3'200 Meter über Meer. Dies ist vergleichbar mit dem Jungfraujoch in den Alpen. Die Höhe macht sich hier bemerkbar. Besonders wenn ich schwere Lasten trage, merke ich den geringen Sauerstoffgehalt.
Ich arbeite gut eingepackt – in mehrschichtiger Skikleidung. Trotzdem braucht man nach ungefähr zwei Stunden eine Kaffee-Pause zum Aufwärmen. Unser Team ist international und setzt sich aus Mitarbeitenden aus Italien, Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Dänemark und der Schweiz zusammen. Es herrschen babylonische Sprachverhältnisse – aber Englisch ist natürlich die Hauptsprache.
Nun bohren wir schon bis in eine Tiefe von 1800 Meter. Es dauert eine gute halbe Stunde, bis der Bohrer unten ankommt und ein nächster Eiskern gewonnen werden kann. Dank der Eisbohrkerne können wir kontinuierlich in der Zeit zurückreisen: Von unten in der Vergangenheit – das Ziel ist, bis in die Zeit vor eineinhalb Millionen Jahren vorzustossen – bis an die Oberfläche, wo das Eis aus den letzten Jahrzehnten liegt.
Dank der eingeschlossenen Luftbläschen können wir sehr genau bestimmen, wie die Luft zusammengesetzt war, also beispielsweise wie viel CO2, Methan, Lachgas und andere Spurengase enthalten waren. Keine Analysen sind dafür so geeignet und so genau wie jene des alten Eises. Doch diese Arbeiten machen wir dann erst wieder in Europa in den Laboren. Das Eis gibt uns noch viel mehr Informationen: Wann welche Temperaturen herrschten, wie grosse Teile der Erde vergletschert waren und wann es grössere Vulkanausbrüche gegeben hat zum Beispiel.
Unser Umgang mit der Klimaerwärmung macht mir immer wieder Kopfzerbrechen. Wir müssten schneller und konsequenter handeln. Aber obwohl wir unterdessen sogar befürchten, dass ganze Teile der Antarktis abschmelzen – wenn man oben auf den Hochebenen der Antarktis steht, dann denkt man nicht ständig daran. Die Stille da draussen und die endlose Weite, die werde ich nie vergessen.»
Protokolliert von Nina-Lou Frey. Das Gespräch führte Christian von Burg.