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Temperaturextreme nehmen zu Hitzeschübe und Kälteschocks: Ozeane im Ausnahmezustand

Die Meere sind nicht nur Lebensraum für unzählige Lebewesen, sondern stabilisieren auch das Klima und sind für das gesamte Leben auf der Erde wichtig. Doch der Klimawandel bringt die Meere ins Strudeln – Hitzewellen nehmen zu, mancherorts aber auch Kältewellen, mit dramatischen Folgen.

Die Küste Südafrikas sei sehr dynamisch, sagt der Biologe Ryan Daly vom Oceanographic Research Institute in Durban, Südafrika. Sie befindet sich zwischen einer sehr tropischen Nordküste und einer sehr gemässigten, kühlen Südküste. In der Mitte wird das Wasser im Sommer warm. «Gleichzeitig gibt es aber Winde, die der Küste entlang blasen und die dafür sorgen, dass kaltes Wasser aus der Tiefe aufsteigt», sagt Daly.

Auftrieb, nennt sich das. Nichts Aussergewöhnliches für diese Region. Vor drei Jahren aber, im März 2021, war dennoch alles anders als sonst: «Das Wasser war so warm wie nie zuvor und das Auftriebsereignis, das folgte, war das bisher intensivste», erzählt Daly.

Tote Bullenhaie und Mantarochen

Die Folge: Ein massiver Kälteschock. Für mindestens 260 Meeresorganismen endete er tödlich. Ihre Kadaver wurden entlang der Küste angespült, darunter drei Bullenhaie und zwei Mantarochen.

Der Klimawandel bedeutet mehr Extremereignisse. Und die Extreme werden extremer.
Autor: Ryan Daly Biologe

Ein extremer Kälteeinbruch – innert 24 Stunden von 21 Grad runter auf rund 12 Grad –, der in Zukunft aber Normalität werden könnte, meint Daly. In einer Studie konnten er und Kollegen zeigen, dass Kältewellen in gewissen Gebieten in den letzten 30 Jahren häufiger und intensiver geworden sind . In Südafrika zum Beispiel. Unter anderem, weil dort die Winde wegen des Klimawandels zugenommen haben. Und so dürfte es dort auch weitergehen: «Der Klimawandel bedeutet mehr Extremereignisse», sagt Daly. Und die Extreme werden extremer.

Toter Hai am Strand, daneben zwei Hunde
Legende: Einer der toten Bullenhaie, die in Südafrika an den Strand gespült wurden N. Lubitz et al., Nat. Clim. Chang. 14, 526–535 (2024)

Das gilt auch für Hitzewellen im Meer, die im Gegensatz zu den Kältewellen viel besser untersucht sind. Hitzewellen sind in den letzten 30, 40 Jahren ebenfalls deutlich häufiger geworden. Dies vor allem, weil die Ozeane sehr viel Wärme aus der Atmosphäre aufgenommen und sich so erwärmt haben.

Seit über einem Jahr im Ausnahmezustand

Auch aktuell erleben die Weltmeere eine Hitzewelle. Eine, die aus mehreren Gründen aussergewöhnlich ist: «In den letzten 14 Monaten lagen die Temperaturen jeden Tag ausserhalb des Bereichs, den die Meere vorher hatte», sagt Nicholas Gruber, Umweltphysiker von der ETH Zürich.

Zu Beginn sei die globale Mitteltemperatur zudem regelrecht angesprungen, statt kontinuierlich angestiegen. Erklären kann sich das die Wissenschaft noch nicht ganz. Ein Teil sei der Klimawandel, ein Teil das Klimaphänomen El Niño, sagt Gruber. Der Rest: erst Hypothesen.

Wir machen uns grosse Sorgen um die Pflanzen und Tiere, die im Ozean leben.
Autor: Nicholas Gruber Umweltphysiker

So oder so: Die Hitzewellen bringen die Meere ins Strudeln. «Wir machen uns grosse Sorgen um die Pflanzen und Tiere, die im Ozean leben», sagt Gruber. Für viele Organismen könne man die Folgen noch nicht abschätzen. Bei den Korallen könne Gruber aber ganz klar sagen: «Denen geht es katastrophal».

Klar sei auch, was es nun brauche: Die Treibhausgase müssen sich stabilisieren. Sie sind der Treiber der Ozeanerwärmung. «Zusätzlich ist es wichtig, auch andere Stressoren wie die Fischerei oder Plastikverschmutzung zu reduzieren», so Gruber. Nur so hätten die Ökosysteme eine Chance, sich zumindest so gut es möglich ist, an die neue Situation zu gewöhnen.

Wissenschaftsmagazin, 08.06.2024, 12:41 Uhr

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