Martin Röösli braucht eine dicke Haut. Der Professor für Umweltepidemiologie am Tropen- und Public Health-Institut in Basel wurde an öffentlichen Anlässen von Mobilfunkgegnern schon ausgebuht und ausgepfiffen.
22 ausländische Forschende werfen ihm zudem vor, er beurteile die Gesundheitsrisiken des Mobilfunks, insbesondere der 5G-Technologie, falsch. Martin Röösli sei «voreingenommen» und habe «offensichtliche Interessenskonflikte».
In einem Brief an den Bundesrat fordern die Wissenschaftler den Rücktritt von Martin Röösli aus allen wissenschaftlichen Kommissionen und Gremien. «Was Martin Röösli betreibt, ist nicht unabhängige Wissenschaft, sondern gesponserte Wissenschaft», sagt Publizist und Mobilfunkkritiker Christoph Pfluger, der diese Botschaft im Netz verbreitet. «Transparenz ist bei Herrn Röösli nicht gegeben.»
Angst vor Mobilfunkstrahlung weit verbreitet
Diese Vorwürfe sind zwar schon mehr als ein Jahr alt und wurden vom Bundesamt für Umwelt als haltlos zurückgewiesen. Trotzdem fallen sie vielerorts auf fruchtbaren Boden. Im Netz werden die Vorwürfe noch immer weiterverbreitet.
Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung glauben, dass Mobilfunkstrahlung zu Gesundheitsproblemen führen kann und dass es Menschen gibt, welche diese Strahlung am eigenen Körper wahrnehmen können. Das zeigte vor einem halben Jahr eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft für Sozialforschung Bern.
Was sagt Röösli zu dieser Angst vor der Mobilfunkstrahlung und zu den Angriffen auf seine Glaubwürdigkeit als Wissenschaftler?
«Als ich vor 20 Jahren begann auf diesem Gebiet zu forschen, hätte ich mir durchaus vorstellen können, dass wir schädigende Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung finden», sagt Martin Röösli. «Weil damals Millionen von Menschen begannen, das Handy intensiv zu nutzen, befand ich es für wichtig, es genau unter die Lupe zu nehmen.»
Keine Schädigung nachgewiesen
Röösli machte über die Jahre hinweg Dutzende von Studien zum Thema und wurde zu einem gefragten Fachmann im In- und Ausland. Aber bis heute hätten sich noch immer keine Schädigungen durch elektromagnetische Strahlung gezeigt, sagt Röösli.
«Das heisst nicht, dass wir nicht weitersuchen sollten. Aber heute ist klar: Andere Umwelteinwirkungen müsste man viel ernster nehmen.» Feinstaub und Lärm etwa verursachen in der Schweiz jedes Jahr Hunderte von vorzeitigen Todesfällen. Das ist wissenschaftlich erwiesen.
Röösli schiesst zurück
Die Attacken auf seine Person und seine wissenschaftliche Integrität machten ihm manchmal zu schaffen, sagt Röösli. «Umgekehrt zeigt es mir aber auch, dass meine Forschung etwas bewirkt, dass die Resultate gelesen und debattiert werden. Und das ist ja mein Ziel als Wissenschaftler: Ich will zur Aufklärung der Bevölkerung etwas beitragen», so Röösli.
Die Anschuldigungen der 22 ausländischen Forschenden machten ihm hingegen kein Bauchweh. «Mit wenigen Ausnahmen hat fast niemand von denen zum Thema Mobilfunk geforscht und publiziert.»
Das sei wie in der Diskussion um den Klimawandel oder um Covid-19, sagt Röösli: «Man findet immer jemanden mit einem Doktortitel, der eine gegensätzliche Meinung hat und sich profilieren will.»
Andere Forscher ziehen sich zurück
Martin Röösli ist wohl der gefragteste, aber natürlich nicht der einzige Mobilfunkexperte der Schweiz. Ebenfalls ein guter Kenner der elektromagnetischen Felder ist etwa ETH-Professor Jürg Leuthold.
Er sagt: «Martin Röösli macht saubere Forschung. Er steht zu seinen Resultaten, auch dann, wenn sie unangenehm sind für die Mobilfunkbranche.»
Viele andere Forscher hätten sich zurückgezogen aus diesem Bereich, sagt Leuthold. Es sei nicht ergiebig und mache keinen Spass, auf dem Gebiet der schädlichen Auswirkungen zu forschen, wenn man jahrelang suche und einfach nichts finde. «Und zweitens sind die dauernden Anfeindungen der Mobilfunkgegner sehr unangenehm.»
Kein Mangel an Transparenz
Am heftigsten prangern die Mobilfunkkritikerinnen und -kritiker Martin Rööslis Engagement in der Forschungsstiftung Strom- und Mobilfunkkommunikation an, die von der Mobilfunkindustrie finanziert wird. Röösli war dort bis vor kurzem im Stiftungsrat. Ebenfalls im Stiftungsrat sind weitere Hochschulvertreter, NGOs wie etwa die Krebsliga, Vertreterinnen der Bundesbehörden sowie eine Person aus der Mobilfunkindustrie.
Über die Verteilung der Gelder an die Forschungsprojekte entscheidet ein unabhängiger, rein wissenschaftlicher Ausschuss. Bisher wurden fünf Millionen Franken in knapp 50 verschiedene Studien gesteckt.
Die Arbeit dieser bei der ETH angesiedelten Stiftung ist öffentlich einsehbar. Der Vorwurf der Intransparenz lässt sich also nicht erhärten. Wenig transparent sind hingegen einige prominente Mobilfunkgegner. Sie verschweigen, dass sie von der Angst vor der Mobilfunkstrahlung profitieren, indem sie diese finanziell zu ihren Gunsten zu nutzen wissen.
Initianten aus der Schweiz
SRF-Recherchen bestätigen: Der Initiator des Briefs der 22 ausländischen Forschenden ist der Zürcher Anti-5G-Aktivist Réza Ganjavi. Die Übersetzung und den Versand an alle Mitglieder des Bundesrates besorgte der Berner Mobilfunkgegner Christian Oesch.
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